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Das 14mm Explore Scientific 100°
und das
Televue Ethos 13mm
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100° scheinbares Gesichtsfeld - das lässt sich hören. Genau damit fällt das recht neue 14mm Explore Scientific 100° auf. Nur wenige Okulardesigns erreichen überhaupt einen solchen Wert und auf dem normalen europäischen Markt findet man bisher lediglich die Televue Ethos-Reihe mit diesem scheinbaren Gesichtsfeld. Das 13mm Ethos ist also ein direkter Konkurrent. Es ist übrigens das zuerst erschienene Ethos-Modell. Durch etwas Glück konnte ich beide Okulare im Herbst 2009 miteinander vergleichen.

Explore Scientific macht angenehm vollständige Angaben zum Okular. 14mm Brennweite, 14,5mm Augenabstand, 9 Linsen. Aus einer Zeichnung wird ersichtlich, dass sie wahrscheinlich in 5 Gruppen angeordnet sind. Lanthan Glas soll neben mindestens 3 weiteren Glassorten zum Einsatz kommen. Die effektive Feldblende beträgt nach Angabe der Webseite 24.43mm. Selbstverständlich wird man auf eine Mehrschicht-Vergütung hingewiesen und auch geschwärzte Linsenkanten und ein Blendensystem soll es geben. Ungewöhnlich aber nicht unsinnig für ein astronomisch genutztes Okular ist die wasserdichte Bauweise. Jedes Okular soll demnach für eine halbe Stunde einen Meter tief in Wasser getaucht überdauert haben – und wenn man das Okular schon einmal dicht hat, dann kann man es vorher auch mit Stickstoff durchspülen, um es gegenüber Pilzbefall unempfindlich zu machen. Da gerät es fast zur unauffälligen Nebensache, dass das Okular im zwei Zoll Einsteckdurchmesser daher kommt.
Die Größe der effektiven Feldblende spräche eigentlich noch für ein Okular mit 31,8mm Steckdurchmesser (1,25“). Das  benötigte Negativelement, übrigens ein Dreilinser, lässt mit ca. 28mm freiem Durchmesser jedoch keinen Platz mehr für das 28,5mm Filtergewinde einer 1,25“ Steckhülse.

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Blick auf die Steckhülsen: Links das Explore Scientific, Rechts das Ethos mit der zusätzlichen Klemmschraube.

Das Negativelement des 13mm Ethos füllt das 1,25“ Format hingegen praktisch vollständig aus. Das Filtergewinde dient auch Gleichzeitig als Gewinde für den ordentlich mattschwarz lackierten Fassungsring des Negativelements. Im Innern der Steckhülse ist der freie Durchmesser schwer zu bestimmen, mag aber bei 26mm liegen. Natürlich hält auch Televue mit wichtigen Details nicht hinterm Berg. Effektiv sollen es beim 13mm Ethos 22,3mm Feldblendenöffnung sein. 15mm Augenabstand, eine kombinierte 1,25“ und 2“ Steckhülse und „ultra low reflectance, high efficiency coatings tuned to the composition of each element”: Eine auf die jeweilige Glasart der Linse abgestimmte Vergütung. Dass es sich dabei natürlich auch um eine Mehrschichtvergütung handelt,  braucht da schon nicht mehr erwähnt zu werden.
Über den optischen Aufbau allerdings schweigt Televue sich aus. Nicht einmal die bloße Linsenzahl mag Televue auf der Webseite preisgeben, während für alle anderen derzeit verkauften Televue Okulare die Datentabelle Auskunft über Linsen- und Gruppenzahl gibt. Dem neugierigen Okulartester wird auch gleich ein Schuss vor den Bug gesetzt: „Warning: Do not unscrew any sections of the eyepiece, as the lenses may fall out, thereby voiding the warranty.
Ja richtig, das Panoptic-Problem. Alle Jahre wieder findet sich ein Sternfreund, dem man nur noch raten kann, die herausgepurzelte Linsensuppe und den Rest seines Panoptic sorgfältig verpackt zu Televue zu schicken, wo der Bausatz gegebenenfalls durch ungesprungene Linsen ergänzt, zusammengesetzt und nebst Rechnung auf den Heimweg geschickt wird. Ob solch eine Geheimniskrämerei nützlich ist, werden wir etwas weiter unten sehen. Ausprobieren, ob die einzelnen Okularteile wenigstens durch (wieder lösbaren) Gewindeklebstoff gesichert sind, mochte ich nicht.
Ansonsten wäre zum Ethos noch zu erwähnen, dass es nach ersten Rückmeldungen von Testern der Vorserienexemplare extra etwas verschlankt wurde, um einen  binokularen Einsatz zu erlauben, und dass es mit dem Dioptrix-Korrektor ausgestattet werden kann, so dass auch Sternfreunde mit Hornhautverkrümmung das Okular ohne Brille nutzen können.

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Verkappt? Das Ethos braucht durch die vom Nagler übernommene Kappe mehr Platz am Aufbewahrungsort.

Die restlichen Hausaufgaben bestehen natürlich aus den physikalischen Dimensionen. Mit 877g ist das Explore Scientific ein wahrer Klotz. Erst dadurch wirken 571g beim Ethos geradezu leicht. 155mm Länge des Explore Scientific liegen jenseits des Anschlags meines Messschiebers. Es bleibt ganz knapp unter 70mm Durchmesser.
Mit Kappen kommt auch das Ethos auf 150mm Länge, doch hier verursacht die augenseitige Kappe unnötige 7mm Zusatzlänge. Televue verwendet augenseitig dieselbe Kappe, die bei den großen Nagler Typ 5 beidseitig zum Eeinsatz kommt und auch beidseitig passt, weil diese Doppelkappe auf der einen Seite einen Rand für die 2“ Steckhülse hat und auf der anderen mit ca 48mm auf die umgeklappte Augenmuschel passt. Beim 13mm Ethos leider nutzlos, denn die größere Seite passt nicht wenigstens zur ausgeklappten Augenmuschel. Der größte Durchmesser des Ethos liegt bei 63,5mm, was gleichzeitig auch der minimale Pupillenabstand ist, den ein Binobeobachter für die Verwendung zweier Ethos braucht.
Ein Blick auf die Steckhülsen beider Okulare ist durchaus interessant. Einerseits findet man die Steckhülse des Explore Scientific nahe der Auflagekante konisch zulaufend, um dadurch sowohl für Fassungen mit Klemmring als auch für solche mit Rändelschrauben eine Sicherung gegen unbeabsichtigtes Herausfallen zu bieten, andererseits bemerkt man die interessante Gravur „CHINA“.

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Steckhülsen: Das 14mm hat eine konisch zulaufende Steckhülse als Sicherung,
Televue setzt auf die klassische Sicherungsnut, die am Klemmring schonmal hakelt.

Beim Ethos findet man die kombinierte 1,25“ und 2“ Steckhülse. Nur der 2“-Teil trägt eine klassische und mit 12mm sehr breite Sicherungsnut. Dem Nutzer der 1,25“ Hülse wird nahe gelegt, eine zusätzlich vorhandene Klemmschraube im 2“-Teil von außen auf die Okularadaption zu klemmen. Mag Televue diese schon vom 12mm Nagler her bekannte Variante zeitlos erscheinen, scheint sie angesichts heute üblicher flachbauender 1,25“ Reduzierer veraltet. Und ohne Reduzierer mag das Ethos nicht für jeden einsetzbar sein, denn das Ethos taucht insgesamt 42mm tief in eine 2“ Fassung ein. Dass das nicht mit jedem Zenitspiegel oder Korrektor gut geht, befürchtet auch Televue und formuliert eine entsprechende Warnung auf dem Beipackzettel. Ich kann mich der Praxistauglichkeit einer konisch zulaufenden Steckhülse nicht verschließen – Televue schon. Ästheten mag dann noch auffallen, dass die 2“ Steckhülse des Ethos aus Aluminium ist. Sinnvoll, um Gewicht zu sparen, doch auch anfällig für Kratzer durch Klemmschrauben – wie das mir vorliegende Exemplar leider sehr eindrucksvoll veranschaulicht. Beim Einsatz mit dem Paracorr-Komakorrektor hat man für die Abstandsadaption auch tatsächlich Grund, das Okular zu drehen,  so dass ein solcher Kratzer ganz nachvollziehbar entstanden ist.
Bleibt noch zu erwähnen, dass Televue eine Verlängerungshülse für den 2“ Teil als Zubehör anbietet. Damit lassen sich dann auch 2“ Filter am Ethos verwenden, die ja ansonsten nur in einem Filterrad oder vor einem Zenitspiegel anwendbar gewesen wären, da praktisch kein 1,25“ Reduzierer ausreichend bzw. so unnötig tief gebaut ist, wie für die kombinierte Steckhülse erforderlich. Die Gravur „TAIWAN ROC“ findet sich beim Ethos übrigens auf dem Okulartubus.

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Steckhülse des Ethos...

Die Verarbeitung beider Okulare ist durchweg gut zu nennen. Man verliert sich im Kleinkram. Eine nicht besonders stramm sitzende Kappe auf der 2“ Hülse des Explore Scientific, das chromglänzende 1,25“ Filtergewinde des Ethos in dem der schön geschwärzte Fassungsring für das Negativelement sitzt. Auch bei der Vergütung des chinesischen Exemplars gibt es augenscheinlich keine Kritik zu üben. Dessen breite Armierung aus Silikongummi ist auch griffiger als der deutlich schmalere Gummistreifen am Ethos. Beide Okulare sind sauber und auch die Verpackungen sind Vergleichbar: Stabile Pappkartons mit Einlagen aus Blasenkunststoff. Pluspunkt für Televue: Es liegt überhaupt eine Anleitung bei! Allerdings auch noch Werbung für Dioptrix und der Aufkleber „Powered by Televue“ – wenn man das so beklebte Teleskop mal auf einer Ausstellung zeigt sicher ganz nett. Minuspunkt beim Explore Scientific: Das Okular ist nun wirklich nicht soviel größer, als dass man der Pappschachtel bald das doppelte Volumen derjenigen von Televue hätte verpassen müssen. Wo soll man so was lagern, zumal man wegen der Formteile aus Blasenkunststoff ja auch nichts anderes hineinbekommt? Und wo lässt man eigentlich sinnvoll das Okular, gleich ob Televue oder Explore Scientific? Dass Pentax sauber mit passendem Blasenkunststoff bestückte Drehpacks mitliefert, muss angesichts der diskutierten Preisklasse (mal wieder) Erwähnung finden!

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...und des Explore Scientific.

Jedoch grau ist alle Theorie. Erster Praxistest ist die Schwärzungskontrolle – aus etwas Abstand ein Blick ins Okular gegen die beleuchtete Schreibtischplatte. Beide Okulare machen einen guten Eindruck, doch beim Ethos sind die sichtbaren Tubuswandungen dunkler und beim Explore Scientific findet sich ein Winkel, um ein Glanzlicht auf einen Bereich des Tubusinneren zu bekommen. Direkt um die unterste Linsengruppe herum findet sich aber bei beiden Kandidaten ein pechschwarzer Ring. Dreht man die Sache um, schaut man also durch die Steckhülse, so zeigen beide Okulartuben kräftige Glanzlichter. Beim Televue scheint lediglich eine leicht texturierte Oberfläche, möglicherweise eine Eloxierungs-Variante, das bessere Abschneiden in der „Hin-Richtung“ zu begründen. Wie praxisrelevant dies ist hängt jedoch auch vom Strahlengang und somit vom inneren Blendensystem ab.
Auf der Suche nach Linsenkanten kommt man irgendwie zu dem Schluss, dass sie wohl in beiden Okularen gut geschwärzt sein müssen und wohl auch stets ein gutes Stück Sicherheitsabstand zum Strahlengang haben. Sie sind praktisch unsichtbar.
Was aber beim parallelen Einblick in beide Okulare auffällt ist – die praktisch Identische Lage vieler Reflexe. Das erinnert stark an die chinesischen
Klon-Varianten der Vixen LVW. Es galt also, beide Okulare jeweils in gleicher Position zur Lichtquelle zu fotografieren, um dies zu dokumentieren. Und man kommt nicht umhin zu bemerken, dass der Linsenaufbau beider Okulare, soweit auf diese Weise erkennbar, große Ähnlichkeiten aufweist. Bei näherer Betrachtung findet sich, dass selbst die unterschiedliche Baulänge so unterschiedlich nicht ist. Das längere Gehäuse des Explore Scientific beinhaltet beispielsweise eine hochgezogene Linsenfassung um die Augenlinse, während dieser Bereich beim Ethos plan gehalten ist.
Die Vermutung, dass man im 14mm Explore Scientific einen Klon des 13mm Ethos findet, der vielleicht lediglich auf in China günstiger verfügbare Glassorten abgestimmt und womöglich auch mit Absicht ganz leicht skaliert und abgewandelt wurde, hat definitiv ihre Berechtigung. Was denn auch wieder zeigt, dass große Geheimniskrämerei seitens Televue eigentlich nur dem Kunden Informationen von Interesse vorenthält, aber keinen Schutz gegen Nachbauten bietet.

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Vergleich der Reflexe bei gleichem Lichteinfall aus 8 Lampen: Die Reflexe sind weitgehend vergleichbar.

Um so interessanter also die wirkliche Beobachtungspraxis, um den beiden Kontrahenten auf den Zahn zu fühlen. Hier mussten beide Okulare sich quasi einer Maximalforderung der visuellen Amateurastronomie stellen: Beobachtung mit f/4-Newtons. Natürlich wird bei einem derart großen Bildfeld die Abbildung eines schnellen Newtons in den Randbereichen vor allem von Koma geprägt, so dass eine perfekte Abbildung ohne weiteres gar nicht zu erwarten ist. Daher kamen die Okulare zusätzlich mit verschiedenen Komakorrektoren zum Einsatz. Dies war nicht nur der Standard-Komakorrektor des Vixen R200SS, sondern es kam neben einem visuellen Televue Paracorr PCV-2000 auch ein Prototyp eines ebenfalls 4-linsigen Komakorrektors zum Einsatz. Als Teleskop stand nicht nur der 8-Zöller Vixen R200SS zur Verfügung, sondern auch ein 300/1200 Newton von Orion UK.
Reichlich ernüchternd beim Schreiben des Artikels ist allerdings das Abschneiden beider Okulare. Beim Zusammentragen der Ergebnisse stellt man fest, letztendlich nur auf die Unterschiede zwischen den drei Komakorrektoren eingehen zu müssen, während man beiden Okularen durchweg einen Gleichstand bescheinigen konnte. Das gilt sowohl für die Beobachtung von Sternhaufen und Sternfeldern, als auch für Nebeldetails wie zum Beispiel im Sturmvogel, dem westlichen Teil des Zirrus, der mit dem im Zwölfzöller blendend hellen 52 Cygni auch Anforderungen an Vergütung, Politur, usw. stellt.

Tatsächlich war die Abbildung beider Okulare ohne Komakorrektor stark von zum Rand hin zunehmender Koma geprägt. Davon waren beide Okulare gleich stark betroffen. Mit dem Vixen Komakorrektor wurde die Abbildung erheblich besser, jedoch war sie am Rand nicht frei von aufgeblähten und leicht durch Koma geprägten Sternabbildungen.
Nochmals besser, nämlich erstaunlicherweise praktisch perfekt wurde die Abbildung dann mit dem Paracorr. Selbst bei direktem Blick auf den Bildrand ist die Sternabbildung punktförmig, auch bei helleren Sternen. Gelegentliche Lichtausbrüche entstehen durch eine falsche Positionierung der Iris: Beugungseffekte, wenn durch unzureichende Ausgleichsbewegung des Kopfes zum Rollen des Augapfels ein großer Teil des Strahlengangs von der Iris abgeschnitten wird. Bei beiden Okularen ist also das gesamte Feld vollständig und mit wirklich bemerkenswert guten Sternabbildungen nutzbar.
Mit dem Korrektor-Prototypen ergab sich ein sehr ähnliches Bild, lediglich bei der Bildhelligkeit und Erkennbarkeit schwächster Sterne gab es leichte Unterschiede – der Paracorr hat den größeren Verlängerungsfaktor von später gemessenen 16% gegenüber 6% des Prototyps, was durch den entsprechend dunkleren Himmelshintergrund zu einer visuell verbesserten Sternerkennbarkeit führt. Im Gegenzug war der Himmelsausschnitt mit dem Paracorr auch etwas kleiner als mit dem Prototypen. Weniger auffällig war der Unterschied der wahren Gesichtsfelder der beiden Okulare, obwohl deren Wechsel deutlich schneller vonstatten ging, als der Austausch eines Komakorrektors. Hier Unterschiede festzustellen blieb also der Sterndurchlaufmessung vorbehalten. Wesentlich für die Leistung der Okulare war aber die korrekte Abstandseinstellung der jeweiligen Korrektoren. Beim Vixen-Korrektor ist dies nicht möglich. Die beiden anderen Korrektoren konnten bezüglich des Abstands zum Okuar verstellt werden, was zwar keine großen Veränderungen bewirkte, jedoch bei genauem Hinsehen auf den direkten Randbereich Auswirkungen zeigte.
Bleiben also wieder nur Kleinigkeiten zu erwähnen. Ob Explore Scientific oder Ethos – auch bei Mondbeobachtung waren keine störenden Reflexe oder Himmelsaufhellungen zu bemerken. Der hochgezogene Rand um die Augenlinse des Explore Scientific bewirkt, dass man der auch leicht festeren Augenmuschel mit etwas mehr Druck entgegen wirkt, um einen bequemen Einblick mit vollem Überblick über die 100° zu erhalten. Das Ethos war dahingehend bequemer – dennoch neigt man bei beiden Okularen letztendlich dazu, die Augenmuschel einfach wegzuklappen, wenn kein direktes Störlicht behindert. Der Unterschied egalisiert sich dadurch. Mit Brille jedoch wird daraus ein kleiner Pluspunkt für’s Ethos, denn je nach Brillenform und -Sitz kommt es auf jeden Millimeter an. Und tatsächlich ist es möglich, mit etwas Aufdrücken das volle Feld beider Okulare mit Brille zu überblicken. Es wird nicht jedem gelingen, aber die Chance besteht.
In den Fokus kamen beide Okulare recht weit außen. So weit außen, dass es in einigen Konfigurationen mit Korrektor an meinen Geräten ein Vorteil war, dass das Explore Scientific etwas weniger weit nach außen musste, als das Ethos. Beim Ethos musste ich doch des Öfteren einen Korrektor etwas weiter außen klemmen. Nur wenige Millimeter, aber man musste es eben bedenken.

Wie machen sich die Okulare nun am Refraktor? Am 110/655 ED-Zweilinser „Megrez 110“ ergab sich im Prinzip auch nichts Neues, was den Vergleich der Okulare anging. Allerdings war bei dieser Optik die Randabbildung beider Okulare nicht mehr perfekt. Es zeigte sich, wieder bei beiden Okularen gleich, ein an Koma erinnernder Abbildungsfehler, jedoch der Lichtausbruch zur Bildmitte hin gerichtet. Dies wurde etwa im äußeren Viertel des Feldes sichtbar, erreichte aber auch am äußersten Gesichtsfeldrand kein besonders störendes Ausmaß.
Bleibt die Sterndurchlaufmessung, durchgeführt an Altair. Am R200SS ohne Komakorrektor erzielte das 14mm Explore Scientific 7 min. 4 sec, während das Ethos 13mm auf 6 min. 30 sec. kam. Zur Kontrolle war noch das 14mm UWA Serie 4000 mitgelaufen, es kam auf 5 min. 42 sec.
Umgerechnet ergibt das Werte, die sehr gut mit den Herstellerangaben korrelieren,  nämlich 24,44mm effektive Feldblende für das 14mm Explore Scientific (24,43mm Herstellerangabe) und 22,48mm beim 13mm Ethos (Herstellerangabe 22,3mm). Das 14mm UWA Serie 4000 kommt so auf 19,71mm (keine Herstellerangabe). Daraus lässt sich ableiten, dass das 14mm Explore Scientific ohne Verzeichnung etwa 82° scheinbares Feld hätte. Für das 13mm Ethos errechnet sich praktisch derselbe Wert. Auch hier findet sich also, wenn die leicht andere Brennweite herausgerechnet wird, eine starke Ähnlichkeit der beiden Okulare.
24,4mm Feldblende beim Explore Scientific lassen gerade 2,6mm Platz zu einem wirklich schmalen Linsenfassungsring in einer 1,25“ Steckhülse – da aber das Negativelement des Okulars deutlich vor der Ebene der effektiven Feldblende liegt, muss es entsprechend größer sein, damit es das Bildfeld nicht abschattet. Man erkennt also die Notwendigkeit, dieses Okular mit einer 2“ Steckhülse auszurüsten.

Fazit:
Die Detaillastigkeit des Berichts sagt es eigentlich schon aus: Das Explore Scientific 14mm 100° ist gegenüber dem Televue Ethos 13mm optisch auf Augenhöhe. Bisher konnte man beim Vergleich eines Televue-Spitzenreiters wie z.B. einem Nagler Typ 5 stets auf wesentliche Vorteile bei der Abbildungsleistung, der optischen Qualität und sehr oft auch der Verarbeitungsqualität verweisen, wenn man Vergleiche zu Okularen mit ähnlichen Eckdaten anstellte. Hier aber liegt (erstmalig?) ein Fall vor, in dem dies nicht mehr einfach möglich ist. Ob Kopie oder nicht, in China wurde sorgfältig gearbeitet und so stellt sich beim Leistungsvergleich dieser beiden Okulare eben auch die Frage nach cleveren Designdetails. Da wirkt Televues Sicherungsnut in der 2“ Hülse eben altbacken, während die konisch zulaufende Steckhülse aus China deutlich praxistauglicher und längst keine Neuheit mehr ist. Ebenso wie das griffigere Silikongummi seine Vorteile hat. In anderen Details liegt Televue noch vorne, aber bedenkt man, wie leicht sich die Einfassung der Augenlinse des Explore Scientific ändern ließe, kann das Televue nur für spezielle Anwendungen wirklich Punkten: Bei der Bino-Beobachtung, für die das Explore Scientific wohl entscheidende 10mm zu dick ist, und mit der Verwendbarkeit in 1,25“ Auszügen. Ein so schweres Okular wird man jedoch nicht jedem 1,25“ Okularauszug zumuten wollen und  viele Geräte die auf 1,25“ beschränkt sind, werden wohl eher selten für die Deepsky-Beobachtung eingesetzt. Vermutlich werden also nur wenige Besitzer von reinen 1,25” Teleskopen auf ein Ultraweitwinkel dieser Preisklasse zurückgreifen wollen. Bleibt noch das passende Dioptrix zu erwähnen. Wer wirklich wegen starker Hornhautverkrümmung diese Korrekturlinse braucht, der ist natürlich auch mit dem Ethos besser bedient.

So scheint der Preis das wesentliche Kriterium. In Deutschland ist das Explore Scientific 14mm bislang nur durch Eigenimport aus den USA erhältlich (Stand 9/2009). Das wird sich allerdings bald ändern: Auf der Webpräsenz von Explore Scientific findet sich auch ein Bresser-Logo. Auf Anfrage wurde mir mitgeteilt, dass der Verkaufspreis für das 14mm bei 439,- Euro liegen soll. Der Straßenpreis des 13mm Ethos legt dessen Messlatte um 90 Euro höher als jene des Explore Scientific. Die Listenpreise differieren sogar um etwa 200 Euro - Stand ebenfalls September 2009.

 

Nachtrag vom 24.10.2009

Es mag der Reiz des Geheimnisvollen sein oder auch die reine Konsequenz aus den vorangegangen Erfahrungen und Ergebnissen. Die Okulare jedenfalls kamen zu einem endgültigen Vergleich der Designs auf einen Röntgenfilm. Es war nicht wirklich einfach, die Aufnahmen zu erstellen, die Steckhülse beispielsweise ist recht undurchdringlich und der zur Verfügung stehende Film war für die großen Okulare etwas knapp. Dennoch sprechen die Bilder eine deutliche Sprache.

Schnittvergleich_W
Röntgenbilder von 14mm Explore Scientific (l.) und 13mm Ethos (r.).

Die Aufnahme des Explore Scientific lässt sich mit dessen auf der Webseite des Herstellers veröffentlichten Schnittzeichnung sehr genau zur Deckung bringen. Vom 13mm Ethos zeigt die Abbildung einerseits eine Einzelaufnahme, andererseits eine “Collage” unterschiedlicher Belichtungszeiten. Die Steckhülse blieb dabei dennoch recht undurchdringlich. Aber der Vergleich beider Okulare spricht eine deutliche Sprache. TeleVue könnte getrost 9 Linsen in 5 Gruppen in der bekannten Okulartabelle eintragen. Vor einem Klon braucht man sich nicht zu schützen, der ist bereits da.

Schnittanimation_k
14mm Explore Scientific:
Überlagerung des Röntgenbildes mit der offiziellen Schnittzeichnung.

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