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David gegen Goliath?
Tele Vue Ethos 21mm und Lunt HDC 20mm

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Es ist schon im ersten Bild offensichtlich dass sich diese Einleitung jedenfalls nicht auf das äußere Erscheinungsbild bezieht. Aber es ist auch kein bis zum Schlußsatz des Artikels aufgehobenes Geheimnis, dass zwischen den üblichen Verkaufspreisen der beiden Okulare ein Faktor von 3,3 und zwischen den Listenpreisen sogar ein Faktor von 4,1 liegt*. Und auch was den Namen angeht, ist Lunt nicht mit Tele Vue vergleichbar. Dennoch stellte sich der Vergleich der beiden 100° Okulare als höchst interessant heraus.
In den Abmessungen unterscheiden sich die beiden zwei Zoll Okulare nur wenig. Das Ethos wirkt etwas gedrungener. Verkappt ist das Lunt mit 162mm etwas länger als das 157mm lange Ethos - aber erst nachdem man die Tele Vue Wendekappen in die Schachtel geworfen und durch normale Kappen ersetzt hat. Die unverbesserlichen Original-Kappen von Tele Vue fügen nämlich zwei mal 7mm Packmaß hinzu, so dass es dann insgesamt 171mm lang wird. Beim Durchmesser ist das Ethos mit 77mm eindeutig größer und das Lunt mit 68mm fast einen Zentimeter schlanker. Die Ausstattung ist sehr ähnlich. Beide haben eine umklappbare Gummiaugenmuschel aus weichem Silikongummi. Das HDC kam allerdings mit einer flachen Baader-Augenmuschel mit Seitenfahne zum Einsatz (siehe auch 20mm und 100°: Das Lunt HDC 20mm). Das Gehäuse ist schwarz eloxiert, beim Lunt ebenso die Steckhülse, beim Ethos ist sie chrom-blank. Die Sicherungsnut des Ethos ist recht tief und hat teleskopseitig eine sanft angeschrägte Kante, damit sich Klemmringe nicht verhakeln. Dieses Detail hat auch das Lunt, auf den ersten Blick weniger augenfällig. Da aber die Nut weniger tief ist, erkennt man erst auf den zweiten Blick, dass beide Kanten etwa um 45° abgeschrägt sind. Beide Steckhülsen gehen 3,5mm vor der Auflagekante wieder auf den vollen 2“ Einsteckdurchmesser, damit das Okular eine saubere Führung hat. Das Lunt hat einen etwas schmaleren Streifen Gummiarmierung. Beide haben sicher sitzende Kappen, beim Ethos die besagte Wende-Kappe aus festem Kunststoff, von der je eine Seite auf die Steckhülse und die andere auf die Augenmuschel passt. Wer die Augenmuschel des Lunt vorsichtig abzieht, findet ein M44 x 0,75 Gewinde zum Anschluss von fotografischem Zubehör. Das Ethos wiederum ist für die Verwendung des Tele Vue Dioptrx ausgelegt, der vielen Brillenträgern mit Hornhautverkrümmung erspart, die Brille auch am Okular tragen zu müssen. Beide Okulare sind haltbar beschriftet. Tele Vue mit eingravierter und bekannt grün lackierter Schrift und das Lunt hat seine Beschriftung ins Alu eingelasert. Die Brennweitenangabe ist bei Tele Vue eindeutig größer und im Dunkeln bei Restlicht leichter lesbar. Den deutlichsten Unterschied bei der Haptik macht daher das Gewicht aus. Hier ist das Ethos mit 1020g deutlich schwerer, als das HDC mit nur 710g.

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Blick auf die Vergütungsfarben. Beim Ethos (r.) zeigen sich auch dunkelrote Reflexe

Beim Blick ins Okular, mit etwas Abstand und gegen einen hellen Himmel, ist es im Ethos etwas dunkler. Es zeigen sich aber zwei dünne, blanke Ringe. Auch im HDC zeigen sich zwei blanke Ringe, die aber schon mit etwas weniger schrägem Einblick ins Auge fallen. Außerdem wirken die Tubuswände im unteren Teil des Okulars heller. Nochmals etwas heller ist ein Ring direkt um den unteren Durchlass, der nämlich eine matte Lackierung einer Linse der Negativ-Gruppe innerhalb der Steckhülse ist. Hier ist der Rand einer Linse matt, weil die Krümmung schon vor dem Rand den Linsenkörper verlässt. Diese Schwärzung hätte etwas besser sein können, denn sie zeigt auch winzige Durchlässe am Rand zum polierten Teil der Linse, die man beim Blick von der Steckhülsenseite aus punktförmig aufblitzen sieht. Wider Erwarten ist das beim Ethos Chrom blanke Filtergewinde von der Augenseite aus nicht auszumachen. Der Fassungsring der Teleskopseitigen Linse ist beim HDC matt eloxiert, beim Ethos zwar matt lackiert und dadurch etwas matter, aber der Mattlack wirkt nicht besonders satt und ein paar blanke Stellen schimmern durch. Zwischen beiden Augenmuscheln und der jeweiligen Augenlinse findet man matt eloxiertes Aluminium. Der Blick auf die Linsen zeigt beim Ethos grünliche und weinrote Reflexe, beim HDC wechseln Grün und und ein etwas blasseres Blaugrün einander ab. Ich schaue außerdem gern auf die Herkunft: Taiwan ROC sagt ein zwar eloxierter aber nicht grün nachlackierter Teil der Gravur des Ethos. Beim HDC findet sich am Okular gar kein Herkunftsnachweis, dass es aus China stammt, ist aber eigentlich kein Geheimnis. Eine neue Charge des Okulars ist allerdings anstelle der Marke Lunt mit „APM Telesopes / Germany“ beschriftet. Das soll aber mit Sicherheit keinen Herkunftsnachweis bedeuten.
9 Linsen in 6 Gruppen , damit sind wir bei den inneren Werten des Lunt HDC. Wie ein Tele Vue Ethos aufgebaut ist, gibt das US Traditionsunternehmen nitcht ofiziell bekannt, es sind aber wohl 9 Linsen in 6 Gruppen und zwar ein 1-2-1-2-1-2 Design. Neben dem kleinen Brennweitenunterschied unterscheidet sich auch das wahre Gesichtsfeld. Für die Feldblende des Ethos ist 36,2mm offizielle Tele Vue-Angabe, während 34mm beim Lunt HDC aus einer eigenen Sterndurchlaufmessung stammen. Beide haben ofiziell angegebene 15mm Augenabstand.

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Der Blick ins Ethos 21mm (r.) ist eindeutig dunkler, als der ins HDC 20mm

Die Beobachtungseinsätze mit beiden Okularen fanden vor allem am Celestron C8N, einem 200/1000 Newton, sowie dem TK 18 (457/2050) statt, wobei bei beiden der HRCC Komakorrektor von Explore Scientific zum Einsatz kam. Der TK 18 war dabei an den jeweils dunkleren Standorten mit 5m5 und 6m0 im aufgestellt, während dem C8N nur moderater Stadthimmel mit maximal 5m0 beschieden war. Bei einer dieser Gelegenheiten am 18-Zöller stand sogar noch das Explore Scientific 20mm 100° Series zur Verfügung.
Die schnellen Newtons machen einen Komakorrektor erforderlich, um gute Aussagen über die Randabbildung der 100°-Okulare machen zu können. Ohne den Korrektor ist die Abbildung zu stark von Koma dominiert. Die Unterschiede zwischen 21mm Ethos und 20mm Lunt HDC fielen erfreulich gering aus. Das Lunt neigte zu etwas mehr tangentialer Verzeichnung bei Sternen dicht am Rand, was aber auch beim Ethos erkennbar war. Bei schwächeren Sternen geriet das aber unter die Wahrnehmungsschwelle. Der Blick auf den Rand wurde beim Ethos von der gefühlt etwas zu hohen Augenmuschel gestört - umgeklappt war der Einblick stets besser. Beim Lunt HDC hatte man den Eindruck, um die Linsenfassung herum schauen zu müssen, so dass eine deutliche Kopfbewegung nötig war, um direkt, also mit der Sehgrube, auf den Rand des Feldes zu schauen. Die am HDC verwendete Baader-Augenmuschel ist dabei etwa einen Millimeter höher, als die Original-Augenmuschel im umgeklappten Zustand. Als ein Marker für die Sternabbildung wurde ein schwacher Stern innerhalb eines markanten Sterndreiecks zentral in M 44 ausgemacht. Er war im Ethos stets einfacher zu halten, wirkte aber im Lunt scheinbar schärfer. Demgegenüber schien beim Blick auf die Mitte das HDC auf halbem Wege zum Rand etwas an Bilddefinition zu verlieren. Die Sterne wirkten ganz subtil unscharf, und dann doch wieder perfekt, wenn man den Blick direkt auf sie richtete. Im Ethos wirkte die Sternabbildung etwas gelblicher und etwas ruhiger, womit beschrieben werden soll, dass die Sternabbildung beim längeren Betrachten gleichmäßiger blieb, als im HDC.

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Von der Steckhülse aus gesehen fällt der Unterschied geringer aus,
das Lunt HDC hat aber einen auffälligen Ring direkt vor der Augenlinse.

Bei einer Beobachtung mit dem TK 18 mit eingesetztem HRCC war unter anderem des Leo Triplett im im Okular. Hier erwies sich das Lunt HDC bezüglich der Randabbildung als ebenbürtig zum Ethos 21mm, was unter Umständen auch durch den Hintergrund aus schwächeren Sternen etwas leichter wurde, als zuvor am hellen Sternhaufen. Trotz des Brennweitenunterschieds erschien auch das Feld beider Okulare exakt gleich groß, soweit sich das an erkennbaren Sternen jeweils nach dem Okularwechsel festmachen ließ. Ein deutlicher Unterschied war aber eine leichte Aufhellung des gesamten Feldes, so dass NGC 3628 etwas an Kontrast einbüßte. Nun stand auch das Explore Scientific 20mm 100° zur Verfügung und nach dem Wechsel ließen sich damit einige schwache Sterne mehr als zuvor im Lunt HDC bemerken. Der Rand des Feldes war allerdings auch aufgehellt und das Explore Scientific zeigte ein deutliches Nachlassen der Randabbildung gegenüber Ethos und HDC. Das Ethos hatte bezüglich der Erkennbarkeit schwacher Sterne keine Defizite.
Bei der späteren Beobachtung mit dem TK 18 unter deutlich dunklerem Himmel - sie fand ohne das Explore Scientific statt - konnten Mitbeobachter ohne Kenntnis der früheren Beobachtungen etwas die geringere Sterngrenzgröße im HDC bestätigen. Vor dem dunklen Himmel war aber weniger eine komplette Aufhellung des Feldes im HDC zu bemerken, sondern einfach eine insgesamt etwas dunklere Abbildung, was beim Blick auf die kleine Krone (auch Zyklopensmiley genannt) in h & χ  wieder an der Erkennbarkeit schwacher Haufenmitglieder festzumachen war, sich aber auch im sternreichen Milchstraßenfeld rund um M 71 wiederspiegelte. Beim Herumreichen des Okulars kam vom 12“ f/5,3 Dobson ohne Komakorrektor eine ganz ähnliche Rückmeldung. Hier war das 21mm Ethos mit einem weiteren Exemplar des 20mm HDC im Einsatz, und der Beobachter hatte zufällig mit M 71 den gleichen Gedanken. Das Bild im Ethos war etwas brillanter und es fanden sich einige sehr schwache Sterne, die mit dem HDC nicht mehr auszumachen waren. Ein nach der Rücksprache erfolgter Wechsel zwischen den beiden HDC-Exemplaren ließ keine individuellen Unterschiede sichtbar werden. Die h & χ Beobachtung ließ sich verifizieren: Zwei schwächere Sterne der kleinen Krone waren im Ethos etwas deutlicher. Im weiteren Verlauf dieser Beobachtungsnacht spielte aber das HDC auch seinen Gewichtsvorteil aus, und zwar entscheidend, weil das erhebliche Gewicht von Komakorrektor und Ethos schlicht zuviel für die Balance des großen 18” Dobsons war. Mit dem leichteren Lunt HDC blieb das Gerät in der Waage und erlaubte eine konzentrierte Beobachtung des eher horizontnahen Totenkopf-Nebels NGC 246.

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Auf’s Gewicht geschaut ist das 21mm Ethos (r.) nicht die Nummer eins.

Auch wenn das Ethos alle optischen Vorteile auf seiner Seite hatte, kann man es nicht einfach so auf’s Siegertreppchen stellen. Dafür sind die Vorteile gegenüber dem HDC einfach zu gering, und wenn man auch gewillt sein sollte, den erheblichen Preisunterschied zu zahlen, so macht das Ethos bezüglich des hohen Gewichts keine wirklich gute Figur. Wer also das optisch leistungsfähigere Okular einsetzen möchte, der muss vor allem überprüfen, ob das gewünschte Teleskop mit dem Gewicht von 1020g zuzüglich Komakorrektor (der hier verwendete HRCC wiegt ca. 400g) wie gewünscht funktioniert. Die Verwendung eines Komakorrektors ist auch durchaus anzuraten, da beide Okulare nur so ihre gelungene Randabbildung zeigen können. Gegenüber dem fotografischen Anschlussgewinde des HDC erscheint die Dioptrx-Option des Ethos wertvoller, da bei beiden Okularen 15mm Augenabstand für Brillenträger nicht ausreichend sind. Brennweiten um 20mm und eine nicht korrigierte Hornhautverkrümmung bedeuten nämlich für viele Beobachter bereits bei mittleren Öffnungsverhältnissen sichtbare Einbußen. Dass 300g Gewichtsersparnis allerdings ein durchaus entscheidender Vorteil des Lunt HDC sein können, zeigte die geschilderte Beobachtung recht eindringlich  - immerhin wiegt ein 24 mm Panoptic mit seinen 67° nur 270g. Es gibt also gute Gründe, auch das Lunt ( neuerdings als APM HDC 20 mm bezeichnet) in Betracht zu ziehen. Dem aktuellen Preis* von 270 € wird es mit einer sehr soliden Leistung sehr gerecht. Wie so oft ist eine Top-Leistung nur für einen erheblichen Aufpreis erhältlich. Beim 21mm Ethos findet man einen typischen Preis* von ca. 890 € (bei ca. 1100 € Listenpreis, je nach Dollar-Kurs).

*) Preisniveau 8/2019

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