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Der Duplex Moon Atlas

DuplexMoonAtlas1

Am 1.12.2022 erschien von Oculum unter dem Titel “Duplex Moon Atlas” ein neuer Mond-Atlas. Es handelt sich um einen fotografischen Atlas basierend auf der fotografischen Kartierung unseres Erdtrabanten. Wie von Oculums praxisgerechten Atlanten gewohnt, hat der Atlas eine Spiralbindung und laminierte Seiten, ist also vergleichsweise unempfindlich gegen Tau (siehe auch Haltbares Kartenmaterial).

Mit dem Untertitel “The Next Generation Lunar Atlas” führt sich das Kartenwerk für meine Begriffe tatsächlich aber etwas hochtrabend ein - denn: Der Untertitel verspricht ja nun etwas bahnbrechend Neues, ja einen Generationswechsel beim Thema Mondatlas. Nun denn, suchen wir also mal in den versprochenen Features nach dem Generationswechsel. Dazu schreibt Oculum selbst, Zitat:

    •  zwei separate Kartensektionen für die Beobachtung mit oder ohne Zenitprisma
    •  basiert auf einem hochaufgelösten digitalen Geländemodell statt erdgebundener Fotos oder Handzeichnungen
    •  38 Karten der gesamten Mondvorderseite mit einheitlichem Schattenwurf
    ...

Duplex6
Man findet immer zwei Kartenblätter nebeneinander, die aber nicht entlang der Spiralbindung
sondern an der Kurzen Seite aneinander Grenzen.

Wem das jetzt bahnbrechend neu erscheint, der kennt das Oculum-Programm nicht, denn exakt diese 38 fotografischen Karten - sie sind sogar alle gleich nummeriert und zeigen denselben Ausschnitt - kennen wir bereits aus dem”Reiseatlas Mond”, dessen erste Auflage aus dem Jahr 2013 also bereits beinahe 10 Jahre auf dem Buckel hat. Der Atlas basiert auf dem fotografischen Kartenmaterial des Lunar Reconnaissance Orbiter, kurz LRO, und zwar auf dem von diesem Mond-Satelliten erstellten Mosaikbild “LROC WAC Nearside big shadows”, das man übrigens auch online kostenlos einsehen kann: quickmap.lroc.asu.edu (Der Kartenbetrachter hat leider wohl ein Problem mit dem Edge-Browser.)
Mit kompatiblem Browser betrachtet, erlaubt es die Online-Version der Karte sogar, das zugrundeliegende Mosaikbild zu wechseln, zum Beispiel auf eines mit umgekehrten Schattenwurf. Das Mosaik auf dem sowohl der Duplex Moon Atlas und vor diesem auch schon der Reiseatlas Mond basieren, hat den Schattenwurf eines zunehmenden Monds, so wie ihn der Abend-Beobachter vorfindet. Die Aufnahmen des Mosaiks sind so zusammengesetzt, dass die gesamte Mondoberfläche - ja, online kann man auch auf die Rückseite des Mondes schauen - mit konstantem Schattenwurf wiedergegeben wird. Revolutionär ist das inzwischen nicht mehr.

ReiseAtlasMond8
Als fotografischer Atlas ist der Duplex Moon Atlas - wie schon der Reiseatlas Mond (rechts) - sehr detailreich,
hat aber bei Dorsa und Lunardomen seine Schwöchen.
Das zeigt der Vergleich mit dem Standardwerk von Atonín Rükl (links).

Wirklich neu am Duplex Moon Atlas sind zwei Dinge, na sagen wir zweieinhalb. Zum einen enthält der Atlas tatsächlich die genannten 38 Karten zwei mal, und zwar einmal in gespiegelter Darstellung, also so, wie der Mond jenen Beobachtern erscheint, die an ihrem Teleskop einen Zenitspiegel oder auch ein Zenitprisma verwenden. Der zweite Kartensatz, und das nenne ich mal ein halbes Feature, ist gegenüber dem Reiseatlas Mond um 180° gedreht und zeigt die Mondansicht somit dergestalt, wie er vor allem dem Beobachter am Newton, insbesondere am Dobson-Teleskop erscheint. Dessen Bild ist nicht gespiegelt, steht aber gegenüber dem Anblick am Himmel auf dem Kopf - meistens, denn es kommt bei Newtons mit rotierbarem Tubus darauf an, in welche Richtung der Okularauszug gerade zeigt. Dieser doppelte Kartensatz macht den Atlas auf jeden Fall interessant, aber wirklich neu ist die Idee nicht. Die gleiche Idee hat Oculum schon beim “Moonhopper Field Set” realisiert, der Mitte 2021 erschien und zwar mit spiegelverkehrten Karten, während der “Moonhopper” aus dem Jahr 2011 seine Karten noch in der klassischen Normalansicht enthielt. Die “Mirror Image Moon Map” von Sky & Telescope gibt es seit 2007 und stammt immerhin von Atonín Rükl. So praktisch es ist, es ist einfach nicht neu. Bleibt noch das halbe Feature, dass es sich um eine Ausgabe in englischer Sprache handelt. Die ist zwar als lebendige Sprache in stetem Wandel, aber auch nicht revolutionär neu, und als halbes Feature bezeichne ich sie nur deshalb, weil die einzigen beiden auf englisch verfassten Fließtexte nur zwei Seiten füllen: Die Rückseite des Umschlags mit der Inhaltsbeschreibung und die Umschlag-Innenseite mit einem kleinen “Foreword” des Autors Ronald Stoyan und einer kleinen Anleitung zum Gebrauch des Atlas.

Rupes Recta WAC Mosaic plus NACs674
Vom Lunar Reconnaissance Orbiter wurde auch ein Mosaik mit Schattenwurf
wie bei abnehmendem Mond erstellt.

Aber - so mögen Besitzer des Reiseatlas nun einwerfen: Im Reiseatlas finden sich doch zu jeder Karte noch Angaben zur Nomenklatur mit Kratergrößen und -tiefen sowie fotografischen Detail-Karten. Die sind schlicht entfallen. So ist der Duplex Atlas nicht dicker geworden, sondern dünner. Wie das, obwohl beide Werke 80 mit Kunststoff laminierte Seiten haben? Ganz offensichtlich ist der Duplex Atlas auf dünnerem Material gedruckt. Er wiegt auch nur 650g gegenüber 800g beim Reiseatlas. Das allerdings empfinde ich als recht angenehm.

ReiseAtlasMond13
Das Fragment in Thebit kennen wir aus dem Reiseatlas...

Duplex-RRecta-Refraktor
...... und finden es im Duplex Moon Atlas leider wieder,
Duplex-RRecta-Newton
egal ob gespiegelt oder gedreht.

Im Wesentlichen besteht also der Duplex Moon Atlas aus exakt jenen Karten, die schon der Reiseatlas Mond zeigte. Sie sind einmal gespiegelt enthalten und im zweiten Teil des Werks um 180° gedreht. Der Schlüssel zu den Anschlusskarten ist nun kein Piktogramm mehr, sondern diese sind am Rand notiert. Das ist immerhin ganz praktisch, denn man kann wirklich mit dem Kartensatz arbeiten, der zur Bildorientierung des verwendeten Teleskops passt. Da durch die weggelassenen Annotationen nun auch immer zwei Kartenblätter aufgeschlagen sind, hat man etwas mehr Überblick. Immerhin, so dachte ich mir den Kaufpreis von 39,90 Euro* zu rechtfertigen, wird dann ja wohl endlich das von Fehlern bereinigte LROC WAC Mosaik zugrunde gelegt worden sein, während die für den Reiseatlas verwendete Version des Mosaiks noch unter einigen Artefakten durch falsch positionierte Teilbereiche litt. Wem der Gedanke gefällt, der kann ihn sich abschminken. Der Duplex Moon Atlas enthält wirklich weiterhin pixelgenau dasselbe fehlerbehaftete Bildmaterial, was schon beim Reiseatlas verwendet wurde und die altbekannten Macken sind alle wieder da. Da ist man froh, dass die Schrift nicht mit gespiegelt wurde. Immerhin wurde sie neu positioniert. Nicht immer glücklich: So ist in der Newton-Variante des Kartensatzes der Schriftzug “Montes Harbinger” auf Blatt 31 unnötig in die Berge hinein gerutscht.

LROC WAC Nearside Big Shadows R.Recta
Schon bei Erscheinen des Reiseatlas hatte das LRO Team die Fehler im Mosaik korrigiert.
Quelle:LROC October 2020 Release

Das Haupt-Argument für den Duplex Moon Atlas ist natürlich bei weitem nicht, dass der Reiseatlas Mond derweil vergriffen ist. Der komplett gespiegelte Kartensatz macht genauso Sinn wie der für Newton-Besitzer um 180° gedrehte Anblick der Mondoberfläche. Ansonsten gelten für den fotografischen Atlas dieselben Vor-und Nachteile, wie sie sich schon beim Reiseatlas dargestellt haben: Die fotografische Darstellung ist bei allen Oberflächenstrukturen mit deutlichem Schattenwurf extrem detailreich, zeigt aber jene Teile der Mondoberfläche, die unter sehr flachem Lichteinfall zutage treten - das sind insbesondere die Mond-Rücken (Dorsa) und die Lunar-Dome - nur unzureichend. Die Karten-Überlappung ist ebenso zu klein ausgefallen und es stellt sich die Frage, ob nicht die nun zweiseitige Kartendarstellung Grund genug für eine Neuaufteilung der Karte gewesen wäre, so dass einander gegenüberliegende Karten auch wirklich über die Spiralbindung hinweg zusammenhängend wären.

Duplex-R.Prinz Newton
Nicht ganz so glückliche Beschriftung der M. Harbinger.

Alles in allem ist der Duplex Moon Atlas sicherlich ein empfehlenswertes Werk, das aber eben eine gewisse Pflege vermissen lässt, wenn man den derweil betagten Reiseatlas Mond kennt. Unter einem “Next Generation Moon Atlas” hätte ich aber ein Werk verstanden, was deutlich umfangreicher hätte sein sollen. Detailkarten und Informationen zu den gezeigten Mondformationen hätte weiterhin Raum gegeben werden müssen, und revolutionär wäre es gewesen, wenn jedes Kartenblatt jeweils mit Schattenwurf bei zu und abnehmendem Mond die Doppelseiten gefüllt hätte. Natürlich wäre das entweder ein “dickes Ding” oder ein Werk in zwei Bänden, damit aber hätte Oculum wirklich ein revolutionäres, ja ein Standardwerk für Intensiv-Beobachter des Erdtrabanten geliefert. Das jetzige Werk setzt schlicht die Tradition des vergriffenen Reiseatlas Mond fort - basierend auf veraltetem Material und ohne dass der Autor bei seiner Produktpflege eine besondere Liebe zum eigenen Werk erkennen ließe.

*) Preis 12/2022

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