Far Out - meine Astronomie-Homepage

Hinweise zum Datenschutz

Der Spiegel-Apo-Vergleich moderner Tage

»aufgespießt«

In den Astronomie-Foren geht es zu einem Thema immer wieder hoch her. „Spiegel-Linse-Thread“, so nannte man das vor einiger Zeit. Aber ab den 2020er Jahren hat sich die Diskussion denn doch dahingehend gewandelt, dass es auf der Linsenseite mehr um moderne Optiken mit ED-Glas geht, eben Geräte, die als „Apo“ vermarktet werden.

Jup_232425_RGBAlign_DS_lapl8_ap162_30pct_cr
Jupiter mit Meade ED 130/950 (Triplett-Objektiv mit FCD-1 Glas)

Die Rahmenhandlung ist prinzipiell festgelegt: Ein Sternfreund wirft die Frage in den Raum, wie weit denn ein Spiegelsystem mit einem Linsensystem vergleichbare Leistung abliefert. In welcher konkreten Form das geschieht, ist für den Ausgang der Sache unerheblich: Mal ist ein Spiegelteleskop zusammen mit Unzufriedenheit bereits vorhanden, mal steht die Frage im Raum, ob dieses oder jenes die Erst-, Zweit- oder Drittanschaffung sein soll.

jup_RGBAlign_DS_lapl8_ap200_30pctflJupiter_235913_RGBAlign_DS_lapl8_ap203_30pzt_s66f
Jupiter mit Agema Optics SD 130/1040 Apo (Triplett mit SD-Glas und CaF2 Element)

Es folgt zumeist in loser Folge ein kleiner Smalltalk. Konkrete Vorschläge, welche Geräte spannend sind gemischt mit Beiträgen, welche abklären wollen, ob mit dem vorhandenen Gerät denn richtig umgegangen wird. Das Drehbuch sieht vor, dass meist noch auf Seite 1 des Foren-Threads eine erhebliche Diskrepanz zwischen Spiegel- und Linsendurchmesser auftritt, denn entweder ist ein großer Spiegel schon vorhanden, oder aber es wäre leicht, einen großen Spiegel für das Geld zu kaufen, was eine überschaubar große Optik mit ED-Glas nun einmal kostet.

Setup_Skymax_180_ZWO_ADC_ALCCD5LIIcJup_235821_g4_ap7_Drizzle15_conv_FFT_manRGBAdj
Jupiter mit Sky-Watcher Maksutov 180/2700 (54mm Fangspiegel entspr. 31% Obstruktion)

Hier beginnen dann die üblichen Argumente und es offenbart sich für den Kenner sehr schnell die Schräglage des Apo-Vergleichs moderner Tage: Es wird nämlich verglichen, was es gar nicht gibt. Das ist auf zynische Weise sogar fair, denn dem Spiegelteleskop werden nicht nur Obstruktion, Zonenfehler, raue Optik und dergleichen zugeschrieben, sondern dem Apo wird zugeschrieben, dass er ein in jeglicher Hinsicht perfekter Apo ist. Da dem Apo ja kein Fehler zugestanden wird, braucht man hier also keine aufzulisten.

2022-10-11-2205_6-b_2022-10-11-2205_6-U-L-Jup._pipp_NOAlign_lapl6_ap266_15pzt_ImPPG_TWKmc_s75
Jupiter mit TS 125/975 Lanthan SD Apo (FPL 53 / Lanthan Dublet-Objektiv)

Nun ist es aber so, dass real existierende Teleskope, auch APOs und Geräte auf die man zu Unrecht (aus Marketinggründen) APO drauf schreibt, derartige Fehler haben. Nicht zwangsläufig, denn das ist einerseits eine Preisfrage, andererseits aber auch eine Frage der Öffnung, denn nicht nur, aber gerade auch beim Refraktor gilt, dass bestimmte Designs sich eben nur bis zu einer bestimmten Kombination aus Öffnung und Öffnungsverhältnis für ein perfektes oder wenigstens gutes Teleskop eignen. Manche Designs werden mit größerer Öffnung zunehmend schwieriger, und zwar nicht nur schwieriger in der Herstellung, sondern auch schwieriger in der Justage. Hinzu kommen die Auswirkungen der Glaspaarung. Mit wachsender Öffnung werden eigentlich immer kleinere Öffnungsverhältnisse für möglichst unsichtbar bleibende Farblängsfehler benötigt. Öffnungsverhältnisse, die schnell zu nicht handhabbar langen Teleskopen, zu „Sternwartengeräten“ führen würden. Da der Markt für solche Geräte aber überschaubar klein ist, nimmt der Massenmarkt eben Restfarbfehler in Kauf, damit die Teleskope nicht zu lang werden. Betrachtet man sich den Markt für Apos mit ca. fünf Zoll Öffnung, wird das erkennbar. Hier gibt es vergleichsweise günstige Zweilinser, die noch einen sichtbaren Blausaum um das Beugungsscheibchen zeigen. Geräte mit teurer Glaspaarung, lassen derartige Fehler verschwinden. Das geht hin bis zu beinahe beliebig teuren Apos mit Calziumfluorid-Optiken, bei denen dann wirklich noch eine perfekte Abbildung erreicht wird.

2023-10-15-0039_4-U-L-Jup_NoAlign_lapl2_ap179_b2_30pzt_rot2023-10-14-2340_3-U-N-Jup_RotColouredRGB
Jupiter mit 200/1000 Newton (56mm Fangspiegel, 28% Obstruktion)

Optiken mit größerem Durchmesser, also ab etwa sechs Zoll, werden dann in perfekter Form derart exorbitant teuer, dass sie kaum Gegenstand von Forendiskussionen sein würden – sie sind es unterschwellig aber trotzdem! Es ist nämlich so, dass die oben genannte Spiegeloptik mit einer Art „komplettierter Fehlersammlung“ sicher genauso selten ist, wie der perfekte sechs Zoll Apo schon aufgrund seines Preises. Für beide Geräte wird aber als sicher angenommen, dass sowohl der Thread-Initiator wie auch jeder Mitleser niemals ein anderes Gerät zum Kauf auswählen könnte, als stets eben jenen unbezahlbaren Apo oder eben den unsäglichen Billigspiegel. Und wenn man das als gegeben annimmt, braucht man eigentlich keine Optikrechnung, um zu ahnen, welches Gerät denn das schönere Bild zeigt. Zum Glück für alle Beteiligten kann man jedenfalls feststellen: Man kann beide Geräte, ob traumhaft gut oder alptraumartig schlecht, nicht einfach so kaufen.

2024-10-05-0137_5-U-RGB-Jup_AS4DS_lapl6_ap185_F1000_b1
Jupiter mit 254/1200 Newton (64mm Fangspiegel, 25% Obstruktion)

Wenn man aber den sehr großen Apo mit Restfarbfehler gegen den viel größeren Spiegel mit Obstruktion antreten lässt, ist das Forenmärchen schnell in die Binsen gegangen, wie man so schön sagt. Der große Apo hat dann auch unangenehme Auskühlzeiten, löst die ganz normale Luftunruhe an jedem Tag auf und man muss am Ende bei beiden Optiken noch etwas gegen atmosphärische Dispersion tun, weil Spiegel wie Linse diese auflösen. Und wenn beide Optiken, Spiegel wie Apo am Ende in einer “dem Markt genügenden Qualität” vorliegen, dann ist es am Ende doch so, wie es im Astronomie-Handbuch steht: Der Öffnungsdurchmesser bestimmt die Leistungsfähigkeit eines Teleskops. Und weil man das weiß, spricht man ja heute von der Beobachtung mit einem Vierzöller, Fünfzöller, Zwölfzöller und so weiter. Dass ein Teleskop “3-Füßiger Refraktor” nach seiner Brennweite hieß, war vor drei Jahrhunderten der Stand von Wissen und Technik.

Agema_Sommernacht
Traum von einem Teleskop: Der Agema SD 130 - ein tadelloser APO - kostete zuletzt 7390 Euro.

Trotzdem wird recht verzweifelt dagegen argumentiert. Es ist allerdings auch wirklich zwanghaft, mit welch phantastisch schlechten Werten ein großer Spiegel in die Optikrechnung eingepresst werden muss, damit ein wunschgemäß schlechtes Ergebnis im Vergleich zur kleinen Präzisionsoptik herauskommt. Da wird dann die lineare Obstruktion eines kleineren Spiegel-Modells flugs übertragen auf den großen Bruder - obwohl dessen Obstruktion prozentual geringer ausfällt, da das genutzte Bildfeld (praktisch der Einsteckdurchmesser der Okulare) nicht mitwächst und also im Verhältnis zum Spiegel kleiner ist. So hat ein 18” Newton mit f/4,5 schon bei 90mm Obstruktion eine Fangspiegel-Übergröße und bleibt trotzdem unter 20% linearer Obstruktion. Die Vergleichsrechnung gegen den Apo wird aber mit 40% Obstruktion aufgemacht - und wer wirklich so ein Gerät besitzt fragt sich, wie man einen derart großen Fangspiegel (183mm kleine Achse) überhaupt beschaffen soll.

IMG_6361k
Der StarSense Explorer Dobson 10”  - kostete im November 2024 nach Liste 1469 Euro
und wäre ohne StarSense etwa für die Hälfte zu haben.

Als Fazit kann man eigentlich nur festhalten, dass vielleicht für Optikrechner vom perfekten Apo eine besondere Faszination ausgeht. Wer  sein Teleskop unter einen gestirnten Himmel stellt weiß hingegen, dass man eben eine große Optik braucht, wenn man seine Beobachtungsziele besser als mit einer Bogensekunde, ja problemlos auch besser als mit einer halben Bogensekunde aufgelöst haben möchte.  Dann wird man sich ganz automatisch viel mehr mit Auskühlung, Luftunruhe und Standort auseinandersetzen - und zwar auch wenn man einen großen Apo einsetzt. Schon ein Fünfzöller kann seine volle Leistung nicht zeigen, wenn der Beobachter sich nicht um die Thermik rund um das Gerät kümmert. Mit gegensätzlichen Behauptungen und abstrus erdachten Optik-Eigenschaften erweist sich der stolzeste Optikrechner als durch und durch praxisfremd.

Zurück zur Themen-Seite