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Das Vixen HR 3,4mm

Das Vixen HR 3,4mm

Planetenokulare - das sind althergebracht Okulare mit kleinem scheinbaren Gesichtsfeld und traditionell möglichst wenig Linsen. Aber: Diese Designs haben ihre Grenzen! Der Augenabstand skaliert mit der Brennweite und die Freiheitsgrade des Designs aus wenigen Linsen setzen den bei optimaler Schärfe nutzbaren Öffnungsverhältnissen Grenzen. Orthoskopische Okulare nach Abbe und auch Plössl bzw. das ebenfalls von G.S. Plössl stammende Symmetrical werden daher kaum mit weniger als 5mm Brennweite realisiert. Das Kasai Classic Ortho mit 4mm ist eine der ganz wenigen Ausnahmen. Der Augenabstand liegt beim Plössl, Ortho und Mono etwa bei der Brennweite mal 0,87, beim Symmetrical ist es sogar nur der Faktor 0,77. Das typische 5mm Ortho kommt also auf etwa 4,4mm Augenabstand - das ist nicht nur knapp und man streicht leicht mit den Wimpern Fett auf die Linse, sondern es kann sehr unangenehm bis schmerzhaft sein, wenn man so eng an ein eiskaltes Okular heran muss. Es wird klar, dass man mit diesen Designs keine kürzeren Brennweiten realisieren kann. Die Designs bekommen auch mit schnellen Optiken Schärfeprobleme. Es mag sein, dass die Grenze dafür nicht mehr um f/6 liegt, sondern durch neuere Glassorten nach f/5 hin verschoben wurde, da aber ohnehin durch den Augenabstand keine ausreichend kurzen Brennweiten sinnvoll erscheinen, um f/5 bezüglich der Vergrößerungsfähigkeit voll auszureizen, ist eine Diskussion über modernes Glas müßig.
Somit blieb den Besitzern besonders schneller Optiken nur der Griff zu komplexer aufgebauten Weitwinkel-Okularen, oder es musste einem „Planetenokular“ mit Hilfe einer Barlow-Linse zur benötigten Vergrößerung bzw. aus Sicht des Teleskops zum benötigten effektiven Öffnungsverhältnis verholfen werden. Wer so mit einer 2x Barlow aus f/4 effektiv f/8 machte, fand natürlich passende Okulare.
Dennoch blieb die Frage, ob es nicht möglich sei, integrierte Okulare mit wenig Gesichtsfeld und optimal aufeinander abgestimmten Linsengruppen für optimale Performance an schnellen und sehr schnellen Optiken zu schaffen. Natürlich ist die Vixen HR Reihe nicht die erste, die sich diesem Ansatz widmet. Bekannt sind dahingehend vor allem Pentax XO, die kurzen Brennweiten der Baader Eudiascopic und auch die Takahashi LE. Weiter zu nennen sind die Vixen LV und die Celestron X-Cel sowie deren als ED bekannte Label-Varianten, aber diese Okulare sind durch einen großen Augenabstand nochmals komplexer und somit ein stärkerer Kompromiss.
Als die Vixen HR-Reihe eingeführt wurde, musste allerdings die verfügbare Brennweitenstaffel verwundern. Es erschienen nämlich zunächst die Brennweiten 2,4mm, 2,0mm und 1,6mm. Das verwundert nicht wenig, denn denkt man daran, dass vorsichtige Beobachter als minimale Okularbrennweite etwa das 0,7-fache der Öffnungszahl verwenden, also bei f/4 nur 2,8mm (=0,7×4), dann wären die HR-Okulare für Öffnungsverhältnisse von f/3,4 bis f/2,3 geeignet, um beispielsweise eine kontrastreiche Wiedergabe von Jupiters feinsten Details zu liefern. Erlaubt man sich etwas Übervergrößerung, so mag man die Öffnungszahl auch mit 0,5 multiplizieren und kommt so immerhin auf gebräuchlichere Öffnungsverhältnisse, nämlich f/4,8 bis f/3,2. Das mag im ersten Schreck sogar manchen Tester überfordert haben, so dass Testberichte erschienen, bei denen die Okulare in Optiken mit f/7 eingesetzt wurden - hoffnungslose Übervergrößerung.

HR 3,4mm und 45mm Drehpack
Das HR 3,4mm wird im 45mm Drehpack und mit Kappen geliefert

Aber Vixen legte nach: Das neueste Mitglied der Reihe ist das 2018 erschienene HR 3,4mm. Mit dem Faktor 0,7 gerechnet kommt man auf f/4,85 als „ideales“ Öffnungsverhältnis und mit Mut zur Übervergrößerung mag man es auch bei f/6 verwenden, bei f/7 aber nur mit Bauchschmerzen. Das große Problem bei Übervergrößerung ist die Sehphysiologie, die dem Beobachter ein scharfes Bild vorgaukelt, weil die Netzhaut bei dunklen Bildern durch Zusammenschalten der Rezeptoren einen Auflösungsverlust erleidet - was man verpasst, sieht der Beobachter erst dann, wenn aus der Übervergrößerung zurück auf verträglichere Werte gewechselt wird - und plötzlich sind, wenn auch kleiner, alle im übervergrößerten Bild enthaltenen Details mit mehr Kontrast und somit leichter erkennbar.
Das 3,4mm ist also in einem sehr interessanten Brennweitenbereich platziert, der für Optiken um f/5 einen guten Kontrast bei sehr hoher Vergrößerung abliefert. Oder anders gesagt: Das Optimum für Jupiter-Beobachtungen.
Zu diesem Zweck kam das HR 3,4mm vor allem an einem kleinen 130/650 Newton zum Einsatz, dessen Spiegelsatz ursprünglich aus einem Vixen R130Sf stammt. Als Referenzokular diente dabei das bekannt gute Pentax XW 3,5mm und auch ein Baader Eudiascopic mit 3,8mm stand zum Vergleich zur Verfügung.
Zunächst aber seien die weiteren Eigenschaften des HR 3,4mm zusammengetragen. Das kleine und kompakte Okular wiegt nur 115g. Es wird im Drehpack geliefert, normale Kappen liegen allerdings auch bei. Mit 69mm Länge und 40mm Durchmesser ist das 1¼ Zoll Okular ähnlich groß wie ein Ortho. Eine weiche Gummiaugenmuschel macht den Einblick angenehm. Die Konstruktion aus 5 Linsen in 3 Gruppen bietet 10mm Augenabstand (bei allen Brennweiten) und trägt eine neu entwickelte Vergütung namens Vixen AS, die laut Hersteller 99,9% Transmission pro Fläche erreicht. Gegenüber durchaus normalen 99,5% Transmission verringert sich also die Helligkeit von Reflexen auf gut 20% oder weniger gegenüber Standard-Mehrschichtvergütungen. Dem Streulicht widmet sich auch der weitere Aufbau. In das Filtergewinde eingeschraubt findet sich eine zusätzliche Blende, die Streulicht und auch Licht von umliegenden Teilen des Bildfelds schon am unteren Ende der Steckhülse "abfängt". Alle auch nur nahe am Strahlengang liegenden Flächen im Innern des Okulars wurden geriffelt ausgeführt und zusätzlich wurden an einigen Stellen regelrechte Streulichtfallen geschaffen. Neben den Linsenfassungen, die dafür sorgen, dass Licht aus dem normalen Strahlengang nicht direkt den Linsenrand trifft, gibt es noch vier weitere Blenden im Innern des Okulars.
Die Steckhülse hat eine sehr sanft abgeschrägte Sicherungsnut, so dass sich das Okular wunderbar mit Klemmringen verträgt. Seine farbliche Gestaltung erinnert ein Wenig an das Pentax, denn das dunkle Gehäuse ist mit einem silbernen Ring etwas abgesetzt und golden beschriftet mit der Brennweitenangabe in doppelter Schriftgröße. Eine Neuheit bei Vixen: Zur Beschriftung gehört auch eine Seriennummer.

Augenlinse des HR 3,4mm
Die neue Vixen AS Vergütung auf der Augenlinse.

Das scheinbare Gesichtsfeld von 42° benötigt keine besonders große Augenlinse. Blickt man durch sie aus etwas Abstand ins Okularinnere, sieht man die gute Streulichtabschirmung. Es ist hervorragend Dunkel im Okular. Als eine Art undokumentiertes Feature findet sich unter der Gummiaugenmuschel ein 30mm×0,75mm Aussengewinde. Zubehör dafür gibt es derzeit nicht und im Optikbereich lässt es sich nur als Filtergewinde (Heliopan ES 30mm) wiederfinden. Interessant wäre natürlich ein Adapter auf das Gewinde einer Kamera zur Planetenfotografie.
Vixen bewirbt die Okulare übrigens recht vollmundig. Während es das Vixen LV 2,5 an einem Vixen AX103S Apo nur auf 90% Strehl bringt, sollen alle HR Okulare über 97% Strehl auch am Bildrand erreichen. Schöne Zahlen, aber so nebenbei erwähnt hat der genannte Apo ein Öffnungsverhältnis von f/8, so dass sämtliche HR-Okulare hoffnungslos übervergrößern. In Übervergrößerung werden Sterne ohnehin durch Beugungsunschärfe nicht mehr als Punkte, sondern als flächige Beugungsfigur erkennbar - interessant wäre der Strehl für eine f/4-Optik gewesen. Wer so eine Optik nutzt findet aber doch einen wichtigen Hinweis des Herstellers: Es handelt sich dabei ja meistens um Newtons und die HR-Okulare sind daher komakompensierend ausgelegt.

Blick in die Steckhülse
Wenn kein Filter benötigt wird, deckt eine eingeschraubte Blende das Filtergewinde ab.
Darunter ist alles perfekt geschwärzt.

Schaut man auch auf die Vergleichskandidaten, so ist das Baader Eudiascopic 3,8mm von den Eckdaten her am nächsten dran. Es bietet 45° scheinbares Gesichtsfeld, ist allerdings aus 7 Linsen in 4 Gruppen aufgebaut und trägt auf allen Glas/Luft-Flächen eine Mehrschichtvergütung, die seinerzeit sicherlich hochwertig war, heute aber durchaus Standard geworden ist. Es wurde oft mit einer Gummiaugenmuschel mit Seitenfahne ausgeliefert.
Das Pentax XW 3,5 ist deutlich jünger, aber als 70° Weitwinkel viel größer und schwerer. Es bietet brillentaugliche 20mm Augenabstand und ist aufgebaut aus 8 Linsen in 5 Gruppen, die Pentax’ hochwertige SMC-Vergütung tragen. Mit 405g ist das Okular erheblich schwerer, als der kleine Vergleichskandidat.

Der im Frühsommer 2018 tief stehende Jupiter bot besonders in der Dämmerungsphase interessante Beobachtungsmöglichkeiten. Nur dann stellte sich das nötige Temperaturgleichgewicht ein, so dass wenig lokales Seeing die Beobachtung des Riesenplaneten störte. Hier erwies sich der Vergleich am Fünfzöller als Vorteilhaft, weil das Gerät schnell angepasst war und mehr die Okulare als gute Luftunruhe forderte.

Gelungene Schwärzung im Okularinnern
Selbst direkt angeblitzt bleibt es im Innern des Okulars dunkel - und eigentlich säße noch
die hier abgeschraubte Blende davor.

Bei einer solchen Jupiter-Beobachtung Ende Juni 2018 kamen zunächst ein Pentax XW 5mm und ein Televue DeLite 5mm zum Einsatz. Demgegenüber zeigte dann das 3,8mm Eudiascopic etwas mehr Detail. Das HR 3,4mm konnte dann aber nicht nur nochmals mehr Detail aus dem Bild herausholen, sondern es zeigte auch ein deutlich helleres Bild, obwohl es stärker vergrößerte. Das Bild wirkte auch gegenüber dem Eudiascopic neutraler weiß und das Eudiascopic hatte somit eher einen Gelbstich. Am selben Abend war mit dem 127/950 Meade ED Triplett auch ein ED-Apo mit leichtem Restfarbfehler zugegen. An diesem Gerät lieferten sich XW 5mm und DeLite 5mm ein enges Rennen und der 130mm Newton kam mit seiner doch recht großen Obstruktion eindeutig nicht an die Abbildungsqualität des ED-Apos heran - obwohl das FCD-1 Triplett des Apos noch einen leichten Restfarbfehler zeigt, der für schwache, tiefblaue Säume sorgt. Für den Apo war das 3,4mm dann auch - erwartungsgemäß - des Guten zuviel und konnte keine neuen Details herauskitzeln.
Bei weiteren Beobachtungen an diesem Abend kamen die Okulare, wieder im 130/650 Newton, an M13 zum Einsatz. Das HR 3,4 überzeugte hier durch einen ruhigen Einblick. Es musste sehr genau fokussiert werden, dann war die Auflösung des Kugelsternhaufens noch etwas besser, als im XW 5mm. Das Baader Eudiascopic machte die Beobachtung schwer, weil an diesem frischen Abend  das kalte Okular ohne die erwähnte Gummiaugenmuschel zum Einsatz kam und so recht unangenehm die Haut berührte.
Das XW 3,5mm stand erst gut zwei Wochen später zur Verfügung und kam am 9.7. unter recht ähnlichen Bedingungen und wieder im genannten Newton zum Einsatz gegen das HR 3,4mm Hier boten sich beide Okulare ein sehr enges Rennen. Am besten lässt es sich durch die Aussage zusammenfassen, dass man mit dem HR 3,4mm bei praktisch gleicher Bildhelligkeit und gleichem Kontrast, aber mit dem Vorteil einer minimal höheren Vergrößerung beobachetete, was dann auch ein klein Wenig mehr Detail des Riesenplaneten sichtbar werden ließ.

Schwärzungs-Check aus Einblickrichtung
Die Überbelichtung zeigt hier jedes Staubkorn - aber die Lichtfallen lassen es im Okular dunkel bleiben.

Das HR 3,4mm zeigte eine insgesamt sehr überzeugende Leistung. Es bietet sich wirklich an, um mit Optiken im Bereich zwischen f/4,5 und f/5 Planetenbeobachtung im High-End-Bereich zu machen. Für f/4-Optiken hat es bereits etwas zuviel Brennweite, bietet aber eine sehr gute Abstufung, wenn man an den oft idealen Wert von 0,7mm AP nicht heran kommt. Die exakt passende Brennweite 2,8mm findet sich leider nicht in der Vixen-HR-Reihe, aber angesichts der Leistung des 3,4mm würde man sie sich wünschen. Das verfügbare 2,4mm ist dann mit einer AP von 0,6mm an f/4 schon sehr ambitioniert.
Bei der Beobachtung machte das 3,4mm HR einen ausgesprochen positiven Eindruck, da es trotz der kurzen Okularbrennweite einen ruhigen und ohne Brille völlig problemlosen Einblick bot. Es war leicht möglich, hoch konzentriert auf gute Augenblicke im wechselhaften Seeing der aktuell auf der Nordhalbkugel niedrig stehenden Planeten zu warten. Klassiker wie das 3,8mm Eudiascopic wurden klar deklassiert. Das 3,5mm Pentax XW ist allerdings eine echte Alterantive für Brillenträger und die Freunde eines großen Weitwinkel-Gesichtsfelds. Wer aber noch einen Tick mehr will, in diesem Fall etwas mehr Vergrößerung bei gleicher Abbildungsqualität, wird am HR 3,4mm seine Freude haben, zumal es für ca. 290,-€* auch deutlich günstiger als das Pentax erhältlich ist.
 

*) Preisniveau 11/2018
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