Das Beobachtungsbuch Es muss ja nicht unbedingt ein Buch sein, sage ich einmal ganz behutsam. Und man muss es auch nicht vom ersten Tag an führen. Aber für mich ganz persönlich bedeutet es schon etwas, dass ich eines Tages beschloss, eben ein Beobachtungsbuch zu führen. Ich möchte diesen guten Rat, den ich zum einen aus einem heutzutage antiquierten Anfängerbuch erhielt, gerne weiter geben. Das soll keine Pflichtaufgabe sein, das am allerwenigsten. Man sollte es nur anfangen, wenn man es als einen schönen Teil des Hobbys pflegt. Eine erfolgreiche Beobachtungsnacht besteht aus Bildern, Eindrücken und Empfindungen, wobei ich auch nicht das Naturerlebnis vermissen möchte. Die Fledermaus, die lautlos über unseren Köpfen die angelockten Mücken abgreift, das verliebte Käuzchen oder den schnaufenden Dachs auf nächtlicher Runde. All das rufe ich noch einmal ins Gedächtnis, wenn ich das Beobachtungsbuch schreibe. Es hilft mir, mich besser an die Nacht zu erinnern und sorgt dafür, dass ich mich länger mit Freude daran erinnern kann. So gesehen ist also das Beobachtungsbuch eine Chance, die Nacht noch einmal zu durchleben, während es draußen schon wieder regnet. Natürlich wäre es ideal, ich würde die Beobachtung noch am Teleskop sitzend zu Papier bringen. Aber es soll Spaß machen und mir macht es mehr Freude, mich während der Beobachtung nicht damit zu belasten. Trotzdem hat sich mein Blick auf das Objekt positiv verändert, weil ich bei der Beobachtung schon ganz bewusst beschließe, welche Details der Beobachtung unbedingt aufgeschrieben werden müssen. Klassisch auf Papier ziehe ich bislang vor, aber ein Blog oder andere digitale Varianten haben auch ihren Reiz!
Noch genauer muss übrigens ein Zeichner hinschauen. Wer Astro-Zeichnungen macht, lernt bald, keine Ecke des Objekts auszulassen, und so ist das Zeichnen sicher auch eine noch bessere Schule, um ein Objekt beobachten zu lernen. Erst danach kommt für mich die Möglichkeit, Beobachtungsergebnisse unterschiedlicher Standorte, Teleskope und auch Okulare zu vergleichen. In meinen alten Beobachtungsbüchern zu blättern weckt durchweg schöne Erinnerungen. Das, so finde ich, sollte man sich einfach nicht nehmen, sondern sich bewahren. Interessiert? Ja gerne! Ein Beobachtungsbuch muss kein Buch sein, wie eingangs schon gesagt. Wer mag, schreibt ein persönliches Web-Blog, was das ganze noch digital durchsuchbar macht. Die Form und das Medium bleibt jedem selbst überlassen. Aber eine gewisse Akribie ist der Sache zuträglich. Man sollte sich auch nicht scheuen, Dinge bildlich zu beschreiben, so wie einem vielleicht gerade die Worte in den Sinn kommen. Das hat in der Astronomie eine wunderbare Tradition, man bedenke nur die verschiedenen Namen, angefangen mit den Sternbildern. Etwas Tellerrand gefällig? In Afrika ist Orion kein Himmelsjäger, sondern ein wunderschöner Schmetterling – da muss man einfach nur mal sein Weltbild um 90° drehen, um die Sache zu verstehen. Der Omega-Nebel heißt auch Schwan-Nebel, naja und wie sie alle heißen! Und so spreche ich auch gerne vom Wasserfall, der aus dem Triangle Whisp entspringt und schaue, ob er sich bis zur Knochenhand erstreckt – hier ist vom Zirrus-Nebelkomplex im Schwan die Rede. Aber mal systematisch: Wann habe ich beobachtet? Wer hat beobachtet? Was kam zum Einsatz, und auch hier wieder Tellerrand: Es schadet sicher nicht, ab und an zu den Zeitangaben die Korrekte Zeitzone zu notieren. Gerade auch, weil sich unsere Sommerzeit-Regeln ja in den letzten Jahren geändert haben. Und wie war eigentlich das Wetter? Wie hat man die Durchsicht empfunden, und wie das Seeing? War die visuell beobachtbare Grenzgröße gut, oder schlecht für den Standort? Wie hat sich die Nacht entwickelt? Auch das Drumherum hat, wie schon erwähnt, durchaus seinen Platz. Es kann auch eine Gedächtnisstütze sein, sich an die Umstände mit dem Käuzchen als Straßensperre zu erinnern. Dazu kommt dann die Reihenfolge der Objekte, die Eindrücke, besondere Details, und je nach Geschmack die persönlichen Empfindungen: Eine Zirrus-Beobachtung aus 2016 - “Übersetzung” der Handschrift unten...
Zirrus: 17mm ES 92°. Phantastisch sowohl mit Astronomik UHC als auch Baader OIII. Sturmvogel mit Strukturen zwischen den Grenzen des kurzen “Schwingenteils”. Dann ein strukturiertes Wölkchen noch vor dem Triangle Whisp. Dieser groß und deutlich. Von dort den Wasserfall abgefahren, immer weiter, plötzlich am Rand des Gesichtsfelds das Ende der Knochenhand und der Wasserfall weiter darüber hinaus! Zurück zum Whisp und von dort über weitere schwache Wölkchen zum Ost-Teil. Dieser auch hell und reich an Filamenten. In Richtung parallel zur Knochenhand dann wieder das kleine, einzeln stehende Wölkchen. Wichtig ist, da wo es Sinn macht, genaue Uhrzeiten festzuhalten: Bolide: [12.4.2005]ca. 1:10h MESZ hell durch die Zirren, recht schnell, lange sichtbar, von Süd bis West, fast waagerecht, im W[esten] zerplatzt mit hellem Blitz und auseinanderstiebenden „Funken“. Zu den Zeitangaben sollte man ohnehin einmal ein Wort verlieren. Ich habe mir angewöhnt, den Eintrag im Beobachtungsbuch unter dem Datum zu Beginn der Beobachtung zu führen. Das heißt der obige Beitrag steht im Buch unter dem 11.4.2005 und als um 1:10h MESZ der Bolide fiel, schrieb man schon den 12.4. Das ist logisch nachvollziehbar und lässt sich dank Zeitzone und Ortsangabe exakt nachvollziehen, wenn es einmal nötig oder spannend sein sollte. Am 13.5.2001 verfolgte ich gegen 22:41 Uhr MESZ einen sehr hellen Boliden durch eine dünne Wolkendecke hindurch quer über den Himmel und war erstaunt, dass meine Sichtung aus dem Raum Sprockhövel zu zwei weiteren Sichtungen aus dem Raum Bremen und dem Raum Lüneburg passte. Beobachtungsbuch, Sternatlanten, Kaffeepott und Ich: So sieht das auf dem Teleskoptreffen aus.
Mit der Zeit wird jeder seinen eigenen Stil entwickeln. Ein paar Ideen möchte ich aber mit auf den Weg geben: Das Beobachtungsbuch kann auch mal Tau abbekommen. Man sollte also halbwegs wasserfest schreiben. Falls man später etwas sucht, sollte man auf dem Einband notieren, von welchem Datum an es geführt wurde, und gleich Platz lassen, um zu notieren, mit welchem Datum es endet. Ich habe inzwischen die vierte Chinakladde in Arbeit und bin nach der zweiten Kladde von A5 auf A4 umgestiegen. In jedem Einband steht auch mein Name und meine Adresse – eigentlich kann es nicht verloren gehen, aber man weiß ja nie! Außerdem habe ich mir angewöhnt, in einer Kopfzeile auf jeder Seite das vollständige Datum zu notieren. Das beruht auf der schmerzlichen Erfahrung, dass das Beobachtungsbuch meiner früheren Sternwarte diesen Eintrag eben nicht hatte – und so blätterte man verzweifelt auf der Suche nach den Jahreswechseln durch die Seiten, weil immer nur zum Jahreswechsel überhaupt einmal die Jahreszahl notiert war. Das Ding war nicht zum Nachschlagen gemacht worden! Überhaupt ist das Thema nachschlagen durchaus mal ein paar digitale Gedanken wert: Ich ziehe es zwar vor, meine Beobachtungen zu Papier zu bringen, aber durchsuchen lässt sich das ganze nicht so schnell. Dafür ist es doch etwas langlebiger als eine durchschnittliche Internet-Seite.
|