Der Deep Sky Reiseatlas Der Deep Sky Reiseatlas in der 3. Auflage
Ende 2010 erschien der Deep Sky Reiseatlas in der 3. Auflage zum 10 jährigen Jubiläum des Oculum Verlags. "Sternhaufen, Nebel und Galaxien schnell und sicher finden" ist das Motto des Himmelsatlas aus 38 Sternkarten des gesamten Himmels, die durch 141 Detailkarten ergänzt werden. Der Atlas richtet sich an Einsteiger und Fortgeschrittene und versteht sich nicht nur als Ergänzung und Kartenwerk zum Deep Sky Reiseführer vom gleichen Verlag. Beide Werke behandeln die gleichen Beobachtungsobjekte. Der inzwischen weit verbreitete Atlas im A4 Querformat ist angenehm handlich und transportabel. Er ist mit einer Ringbindung versehen und auf einem folienbeschichteten Papier gedruckt. Sterne sind bis zur 7. Größenklasse enthalten. Das sind alle, die unter absolut besten Bedingungen freiäugig erkennbar sein können. Detailkarten bilden bis zur 10. Größenklasse ab. 666 Deepsky Objekte werden betrachtet. Kartenschlüssel und Legende
Der Aufbau des Atlas ist sehr praxisnah. Es handelt sich eindeutig um einen Atlas für die aktive, visuelle Beobachtung. Nach einer kurzen Einleitung findet der Beobachter auf Seite zwei den Kartenschlüssel, so dass man schnell zur gewünschten Karte findet. Die Karten zeigen jeweils einen großen Himmelsausschnitt, so dass viele Sternbilder vollständig auf einer Karte überblickbar sind. Eine wichtige Voraussetzung für das Ansteuern von Objekten, da somit auf jeder Karte Orientierungssterne enthalten sind, die man am Himmel auch zweifelsfrei wieder erkennt. Der Objektindex auf den letzten Seiten beschränkt sich auf das nötigste. Das Kartenbild ist übersichtlich gestaltet. Farbige Kennzeichnungen sind in dunklen Tönen von Blau und Grün gehalten, so dass das Kartenbild unter Rotlicht vollständig lesbar bleibt. Es sind nicht nur Sternbild-Hilfslinien erkennbar, sondern diese sind auch dort gezeichnet, wo sie aus dem Kartenausschnitt heraus reichen. Wer nicht das erste Mal mit Sternkarten zu tun hat, wird die Symbole selbsterklärend finden und die Legende gegenüber des Kartenschlüssels nicht benötigen. Objektauswahl und Kartenmaßstab harmonieren gut. Nur in einigen wenigen Regionen drängen sich Objekte und Beschriftungen zusammen. Durch eine sorgfältige Positionierung lässt sich aber alles gut erkennen und zuordnen. Die Übersicht geht nicht verloren. Stehen die Objekte dicht, dominieren die zahlreichen Telrad-Kreise.
Der mit einer Ringbindung versehene Atlas lässt sich bequem so aufschlagen, dass die im Querformat unten liegende Seite den gewünschten Kartenausschnitt zeigt, während auf der oben liegenden Seite die enthaltenen Objekte beschrieben und teils durch Detailkarten ergänzt sind. Am Kartenrand sind die Benachbarten Kartenblätter notiert - übrigens auch die über die Diagonalen angrenzenden. Die Kartenblätter sind entweder einer Jahreszeit oder den Polbereichen zugeordnet. Sternbildkürzel und Deklination (also der “Himmels-Breitengrad”) ergänzen die Kennzeichnung des Kartenblatts. Das kann die Objektsuche je nach Jahreszeit oder "auf gut Glück" unterstützen. Besitzer eines Telrad- oder Rigel-Suchers können die bekannten Telrad-Kreise verwenden, die zu jedem Objekt abgedruckt sind. Die Kreise sind nicht gerade störend, dominieren aber in den Milchstraßenregionen, zum Beispiel im Bereich Cassiopeia, das Kartenbild. Alternativ hätte eine Telrad-Schablone, beispielsweise auf einer selbst anhaftenden Folie, oder in Form eines Lesezeichens mit z.B. einer Legende, das Kartenbild entlastet. Da der Kartenmaßstab auf allen Hauptkarten 0,5 cm pro Grad beträgt, würde eine einzige Schablone genügen. Die Objektbeschreibungen sind kurz aber treffend. Katalogbezeichnung, Helligkeit, Ausdehnung und Entfernung werden ergänzt durch ein paar treffende Worte wie Trivialnamen oder kurze Einschätzungen wie "schwach", "klein" oder "Ausläufer". Wer eine ausführlichere Beschreibung wünscht, der findet diese bei den meisten Objekten durch einen Verweis auf den Deep Sky Reiseführer. Ob die Suche überhaupt lohnt, zeigt außerdem noch eine einfache Bewertung mit Sternchen. Informationen und Detailkarten zur Hauptkarte bekommt man ohne Blättern.
In der Praxis hat sich der Atlas bislang gut bewährt. Der übersichtliche Kartenmaßstab erleichtert das Auffinden von Objekten insbesondere mit dem Leuchtpunktsucher oder Telrad. Für einen optischen Sucher enthält der Atlas aber eher zu wenig Sterne. Das macht das Aufsuchen nicht unmöglich, erfordert aber etwas Übung, um einschätzen zu können, wie hell die schwächsten Sterne im Atlas im Sucher erscheinen. Der Atlas nutzt die für Sternkarten übliche stereografische Projektion, die Winkel- und Kreistreu ist. Sie bewirkt, dass sowohl Rektaszensions-, als auch Deklinationskreise im Kartenbild gekrümmt erscheinen. Durch den großen Kartenausschnitt bekommt man an den Kartenrändern die Verzerrung durch die Projektion zu spüren. Nutzt man nämlich den Leuchtpunktsucher, um ein Dreieck aus zwei Orientierungssternen und der gesuchten Objektposition nachzustellen, so wirkt das am Himmel notwendige Dreieck gegenüber jenem in der Karte verzerrt. Auch die verlängerte Verbindung von Orientierungssternen in der Karte entspricht nicht der Richtung am Himmel. Dies scheint, dem Wort nach, der Winkeltreue der Projektion zu widersprechen. Das ist aber ein Trugschluss. Eigentlich müssten sämtliche Verbindungslinien der Sternbilder, die am Himmel auf kürzesten Wege der gedachten Himmelssphäre folgen, in der Kartendarstellung auch entsprechend der Projektion gekrümmt eingetragen werden. Durch diese Krümmung würde erst die Winkeltreue erfüllt, nämlich dass die Linien sich in ihren Kreuzungspunkten unter dem gleichen Winkel schneiden, wie am Himmel. Eine solche Darstellung von gekrümmten Sternbild-Hilfslinien wäre aber ungewöhnlich und vielleicht auch befremdend oder verwirrend. Daher wurden die Linien wohl gerade eingezeichnet und entsprechen somit nicht der gewählten Projektion, weil sie die Eigenschaft der Winkeltreue verletzen. Die Folge ist, dass durch die verzerrten Kartenränder keinerlei gradlinig aus Hilfssternen gebildete Figuren exakt dem Anblick am Himmel entsprechen. Die durch die Projektion der Karte nötige Krümmung lässt sich auch nicht intuitiv erahnen. Durch den großen, realen Himmelsausschnitt werden zum Rand der Karte hin Verzerrungen bemerkbar.
Der im Bild gezeigte NGC 40 ist da ein Fallbeispiel. Er taucht auf zwei Karten des Atlas nur jeweils dicht am Rand auf und steht in spürbarem Abstand der Orientierungssterne im Sternbild Kepheus. In seiner direkten Umgebung finden sich nur schwache Sterne, die mangels Himmelsqualität viele Sternfreunde nicht sicher oder sicher gar nicht mit bloßem Auge erkennen können. Es handelt sich dabei aber nicht direkt um einen Mangel des Atlas, da es bei derart großen Himmelsarealen nun einmal nicht vermeidbar ist, dass Verzerrungen auftreten. Man kann eine Kugel einfach nicht ohne Dehnen oder Knittern platt pressen und das gilt für jeden Himmelsatlas. Trotzdem gibt es natürlich Abhilfe: Eine stärkere Überlappung der Karten würde dafür sorgen, dass man für jedes Objekt eine Karte findet, in der es nah genug an der wenig verzerrten Kartenmitte steht, oder man sorgt durch entsprechende Detailkarten mitsamt den helleren Orientierungssterne für ein sicheres Auffinden von Objekten, die unglückliche Opfer der gewählten Überlappung sind. Gekrümmte Sternbild-Hilfslinien, die dabei helfen, die Verzerrung der Karte zu erkennen, wären ebenfalls ein Mittel, bedürfen aber sicher näherer Erläuterung für den Benutzer und könnten eine Geschmacksfrage sein. Der Mensch denkt gerne gradlinig, und genau das trifft in diesem Fall den Kern des Problems. Mit einem Gewicht von fast 800 Gramm ist das Werk kein Leichtgewicht. Zu bemerken ist auch, dass an den Kanten des folienbeschichteten Papiers rasch Verschleiß einsetzt. Die Ringbindung zusammen mit dem A4 Format ist recht nützlich, um den Atlas unter typischen Beobachtungsbedingungen einsetzen zu können. Er kann umgeschlagen auf dem Schoß gehalten werden oder in bzw. auf einem Okularkoffer liegen. Dank Ringbindung und A4-Format ist der Atlas sehr handlich.
Das dem Deep Sky Reiseführers zugrunde liegende Referenzgerät ist ein 130mm Refraktor. Dies schlägt sich auch in der Objektauswahl des Atlas nieder. Die Auswahl der 666 verzeichneten Objekte ist durchaus gelungen für Teleskope bis 8 Zoll Öffnung. Der Titel Reiseatlas lässt aber auch durchblicken, dass man für viele Objekte einen wirklich guten, also dunklen Standort braucht. Die stets zunehmende Lichtverschmutzung in Mitteleuropa und auch weltweit macht das immer schwerer. Acht Zoll Öffnung zeigen auch bereits die Grenzen der Objektauswahl auf. Einige kleine, aber auch für mäßige Standorte noch ausreichend helle planetarische Nebel sind im Atlas nicht verzeichnet. Die Erdnuss ("Peanut") NGC 2371 / 2372 in den Zwillingen fehlt, und ist doch für den 8-Zöller noch in Reichweite. Das gilt umso mehr für NGC 1514 ("Dew Nebula"), der deutlich leichter beobachtbar ist, als mancher andere "PN", der den Weg in den Atlas fand. NGC 7048 mag ein weiteres Beispiel sein. Die Erklärung dafür ist natürlich die Bindung an die Objekte des Reiseführers, eine Kategorien übergreifende Auswahl aus Paradeobjekten und Geheimtipps, um mit den Worten der Autoren zu sprechen. Das ist aber auch nicht zuviel versprochen. Der Atlas enthält neben Sternhaufen, Nebeln und Galaxien auch interessante Sternmuster, Doppelsterne und Veränderliche, die auf den Informationsseiten zur jeweiligen Karte aufgeführt werden. Eine sehr angenehme Eigenschaft ist die Darstellung der Detailkarten auf diesen Informationsseiten. So muss nicht extra geblättert werden, um weniger leicht auffindbare Objekte anzusteuern und der Blick auf die Haupt-Karte zeigt auch sofort, welcher Orientierungsstern in der Detailkarte wiedergegeben ist. Einsteiger und Fortgeschrittene finden eine Objektauswahl, mit der man sicher einige Zeit beschäftigt ist...
Mit dem Deep Sky Reiseatlas finden Einsteiger und Fortgeschrittene ein gelungenes Kartenwerk. Der gewählte Kartenmaßstab und die eingezeichneten Sternbild-Hilfslinien sind wichtige Hilfsmittel, um den Bezug zwischen Himmel und Karte herzustellen. Die Telrad-Kreise helfen außerdem den Besitzern eines dazu passenden Suchers. Da die Objektauswahl sich über die Paradeobjekte bis hin zu vielen Geheimtipps erstreckt, ist der Atlas auch dann eine sehr gute Grundlage, wenn man mit mehr als 200mm Öffnung beobachtet. Es wird einige Zeit dauern, bis man mit der angebotenen Objektauswahl nicht mehr zufrieden ist. Dann ist auch die nötige Erfahrung vorhanden, um mit umfassenderen Atlanten die Himmelsbeobachtung zu vertiefen. Der Preis von derzeit 29,90 Euro ist für einen gegen Tau unempfindlichen Atlas günstig.
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