Der Farbfehler
Wer sich in die Materie rund um Teleskope und Optik einzuarbeiten sucht, der begegnet zwangsläufig auch dem Ausdruck "Farbfehler", wenn es um optische Systeme aus Linsen geht. Der Begriff "Farbfehler" beschreibt aber den Effekt nur unzureichend. Der Begriff "Farbfehler" soll zunächst mal nur zum Ausdruck bringen, daß die Abbildung eines Teleskopes oder Okulares mit Farbfehler nicht optimal ist. Der Grund hierfür ist in den physikalischen Eigenschaften von Linsen zu finden. Die physikalischen Eigenschaften des Lichts ändern sich nämlich mit der Wellenlänge, und die Leistung einer Linse wird davon erheblich beeinflusst. Die Wellenlänge des Lichts nehmen wir zunächst als Farbe war. Und allgemein ist bekannt, daß es Licht gibt, welches wir nicht wahrnehmen können, ultraviolettes und infrarotes Licht sind hier geläufig. Die Lichtbrechung einer Linse wird umso geringer, je "roter" das einfallende Licht ist. Blaues Licht wird deutlich stärker gebrochen. Man kennt den Effekt von geschliffenem Glas aus Deko-Figuren, usw. Scheint die Sonne in ein solches Glas, gibt es einige Lichtreflexe, die kleine Regenbögen zeigen. Die Regenbögen entstehen, weil die Lichtbrechung im Glas für die unterschiedlichen Lichtfarben unterschiedlich stark ist.
Eine Teleskoplinse bündelt das Licht, ähnlich einer Lupe. Es gibt hinter der Linse einen Brennpunkt, der Punkt in dem die Linse das gesammelte Licht bündelt. Je stärker eine Linse wirkt, desto näher liegt der Brennpunkt an der Linse - die Lichtstrahlen werden stärker "geknickt", also stärker gebrochen. Nun haben wir aber gerade erfahren, daß rotes Licht nicht so stark gebrochen wird, wie blaues Licht. Das bedeutet, daß der Brennpunkt für blaues Licht näher an der Linse liegt, als der Brennpunkt für rotes Licht. Genauer: Auf einer Linie hinter der Linse hat jede Farbe des Regenbogens ihren eigenen Brennpunkt. Dieser physikalische Effekt heisst Dispersion. Unterschiedliche Glassorten haben unterschiedliche Dispersion, was sich gern im Namen wiederfindet: ED steht für “extra low dispersion”. Abb. 1: Der Farblängsfehler einer einzelnen Linse erzeugt für jede Lichtfarbe einen eigenen Fokus. Die Abbildung beschränkt sich als Beispiel auf die drei Grundfarben, in Wahrheit gibt es auch diese Abstufung nicht!
Abbildung 1 zeigt den Strahlengang hinter einer einfachen Linse, also zum Beispiel einer Lupe. Um die Abbildung überhaupt ansehnlich zu machen, sind hier die drei Grundfarben gezeigt, jeweils mit einem eigenen Brennpunkt (Kreuz). Diese Unterteilung ist eine grobe Vereinfachung, in Wahrheit gibt es unendlich viele Brennpunkte, jede Lichtwellenlänge hat ihren eigenen. Unten rechts sieht man jeweils einen Querschnitt durch das Strahlenbündel - dies ist identisch mit dem Anblick eines Sterns durch ein solches Objektiv. Durch die Überlagerung der verschiedenen Farben wird das Bild unscharf, ein solches Objektiv wird in der Praxis also niemals Verwendung finden. Dieser Farbfehler heisst Farblängsfehler, da er “längs” der orange eingezeichneten optischen Achse auftritt. Anhand von Abbildung 1 kann man allerdings bereits erkennen, daß der Farblängsfehler mit grösserer Brennweite der Linse abnimmt. Größere Brennweite bedeutet ja, daß die Lichtstrahlen durch die Linse weniger stark gebrochen werden, also später erst in einem Punkt zusammenlaufen. Dementsprechend werden auch die Lichtfarben nicht so stark getrennt. Ebenso kann man erkennen, daß bei größerem Linsendurchmesser der durchmesser des Farbsaumes größer wird. Der Achromat Da der oben im Bild gezeigte “Einlinser” keine besonders guten Abbildungseigenschaften hat, verwendet man für Teleskope und Okulare sogenannte Achromaten. Hier wird die einzelne Linse durch eine Kombination aus zwei Linsen unterschiedlicher Glassorten (Kron- und Flintglas) ersetzt. Die Linsen können verkittet sein, oder sie sind durch einen sehr kleinen und genau berechneten Luftspalt getrennt. Der Achromat mit Luftspalt geht auf Fraunhofer zurück. Er erkannte, daß man den Luftspalt einfach wie eine “dritte Linse” zu einer weiteren, geringfügigen Verbesserung der Farbkorrektur nutzen kann. Ein Achromat hat die Eigenschaft, jeweils zwei “Farben” in einem Punkt zu fokussieren. Üblicherweise wird ein Achromat auf die Abbildung von grünem und gelben, oder von grünem und grünblauen Licht optimiert. Ein guter Achromat soll zusätzlich dafür sorgen, daß der “Streukreis” der übrigen Farben nicht größer als der 3-fache Durchmesser der Abbildung eines Sterns ist. Für kleine Achromate sollte deshalb das Öffnungsverhältnis mindestens Durchmesser (in Zentimetern) mal 1,22 betragen. Also für einen Achromaten mit 9cm Öffnung 9x1,22=10,98. Eine solche Optik wäre der typische 90/1000 mit f/11. Ab ca. 15cm Öffnung funktioniert diese Faustformel nicht mehr besonders gut, die Brennweite muß noch größer werden und die Formel wird komplizierter. Die zuerst genannte “Faustformel” war für lange Zeit ein Richtwert, an dem sich die Teleskopbauer orientierten. 90/1000, 80/800, 100/1200 sind Eckwerte nach diesem Grundsatz. Moderne Achromate allerdings verstossen gegen diese durchaus achtbare Regel. Viele Geräte werden kürzer gebaut, 120/600 ist keine Seltenheit und die Geräte zeigen dementsprechend sehr deftige Farbfehler. Auswirkung des Farbfehlers Der Farbfehler zeigt sich dem Beobachter als ein blauer oder blauvioletter Saum um helle Sterne oder an starken Hell/Dunkel-Kontrasten, zum Beispiel bei Strukturen auf dem Mond. Dies ist zunächst mal etwas störend für das ästhetische Empfinden mancher Beobachter. Wie aber wirkt sich der Farbfehler nun auf die Erkennbarkeit von Details aus, und damit auf die Verwendbarkeit des Teleskopes für bestimmte Beobachtungsziele? Also, der Farbfehler findet im Blauen und Violetten statt. Ein Achromat bringt gelb und grün auf einigermassen gleichen Fokus, rot in die Nähe davon, blau und violett nicht so gut. Das geht nicht "Stufenweise", sondern in Wahrheit ist die Brennweite eine Kurve, die durch das Farbspektrum geht. Das bedeutet, das man beim fokussieren eines Sterns eine Fokusstellung findet. in der man einen gelblichen Sternpunkt scharf bekommet, der dann aber von einem blauvioletten Saum umgeben ist. Bei einem einigermassen korrigierten Achromaten gibt es weiterhin einen Punkt, an dem man einen blauen Sternpunkt erhält, der von einem gelblichgrünen Saum umgeben ist. Bei sehr kurzen Achromaten ist die Korrektur im Blauen aber so schlecht, daß es keinen solchen Fokus mehr gibt, man erhält nur einen blauen Matschfleck in grüner Umgebung. Im folgenden orientieren wir uns aber an Achromaten mit erträglichem Farbfehler nach der oben angegebenen Formel. Der blaue Sternpunkt ist wesentlich blasser und taugt zur Beobachtung eigentlich nicht. Man fokussiert also auf den "grünlichen" Sternpunkt und dafür ist der Achromat auch gerechnet. In diesem "Modus" wird also ein scharfes Bild über die Farben gelb, grün bis Türkis erzeugt, leicht unscharf im roten und sehr unscharf im blauen. Um die entstehenden Farbeindrücke “nachzustellen” soll im folgenden das Farbsystem eines typischen PC verwendet werden. In diesem Farbsystem (RGB) gibt es für die drei Grundfarben Rot, Grün und Blau jeweils eine Helligkeits-Skala von 0 bis 255. 0 bedeutet am dunkelsten, 255 am hellsten. Schwarz bedeutet also einen Farbwert von 0 für alle drei Farben, umgekehrt bedeutet Weiss einen Wert von 255 wieder für Rot, Grün und Blau. Wer die Farben auf dem PC “nachspielen” will, kann dies zum Beispiel unter Windows mit dem Programm Paint tun, welches in den allermeisten Windows-Versionen mit enthalten ist. Simulieren wir also nun das Verhalten eines Achromaten. Betrachten wir zunächst einen Stern, der ideal als weisser Punkt dargestellt wird. Von diesem Stern wird aber vom Refraktor nur das gelbe und grüne Licht in einem Punkt gebündelt. Blaues Licht wird zu einem grösseren Teil ausserhalb des Sternpunktes abgebildet. Da das blaue Licht ursprünglich aus dem Sternpunkt stammt, muss seine Helligkeit von der Helligkeit des Sternpunktes abgezogen werden. Da der blaue Farbkanal des PCs auch für Violett zuständig ist, und weil nicht alles blaue Licht ausserhalb des Sternpunktes landet, werden nur 50% abgezogen. Der Blau-Anteil des Sternpunktes wird also von 255 auf den Wert 127 reduziert. Das resultat ist eine gelbliche Färbung des Sternpunktes. Auch etwas rotes Licht geht verloren. Ziehen wir von rot ca 10% ab, so müssen wir den Wert 230 für rot eintragen. Der Stern wird etwas grünlicher und trifft ziemlich gut die Sternfärbung im Achromat (abgesehen von Eigenfarben der Sterne). Das aus dem Sternpunkt abgezogene Licht wird von der Optik als ein heller Saum um den Stern herum abgebildet. Diese Lichtmenge müssen wir dem schwarzen Hintergrund nun hinzufügen. Bei einem guten Achromaten ist der Blausaum von 3x grösserem Durchmesser, als das Sternscheibchen. Das ergibt 9x mehr Fläche, also einen 9 Pixel großen Saum um einen 1 Pixel grossen Stern. Auf diese 9 Pixel verteilen wir die vorhin abgezogene Lichtmenge: Der Saum wird aber zum Stern hin heller, da die bläulichen Farbtöne “nahe bei grün” nur sehr wenig defokussiert sind. Man kann davon ausgehen, daß sich 30% der Helligkeit nahe beim Sternscheibchen wiederfindet. Abb. 2: Der reinweisse Stern von APO und Reflektor gegenüber dem blaugrünen Stern des Achromaten mit schwachem Farbsaum. Nur bei hellen Sternen fällt der Farbsaum wirklich ins Auge.
Vom Blauwert wurden 128 abgezogen. 30% davon gibt einen Blauwert von 38. Vom Rotanteil wurden 25 abgezogen. Der rote Farbsaum ist aber deutlich kleiner, als der blaue - hier finden sich schätzungsweise 50% des Lichts in unmittelbarer Nähe des Sterns, ein Rotwert von 12. Der Himmel um den Stern herum wird nun blauviolett. Der Farbsaum ist recht dunkel, und so ist es bei der Beobachtung von Sternen auch wirklich. Anders wird es bei der Beobachtung einer hellen Fläche. Man stelle sich diese helle Fläche als eine Ansammlung von weissen Punkten vor, wie dies bei einer Computergrafik nunmal ist. Jeder Punkt gibt durch den Effekt des Blausaums von seinem Licht an die Nachbarschaft ab. Gleichzeitig erhält er aus der Nachbarschaft von dort abgegebenes blaues Licht zurück. Jeder Punkt, der innerhalb des Blausaums liegt erhält von "unserem" Punkt licht. Gleichzeitig aber, weil jeder Punkt einen gleich grossen Blausaum hat, erhält unser Punkt von genau diesen Punkten auch Licht "zurück". Der Effekt: Jeder Punkt erhält genausoviel blau zurück, wie er abgibt, das Ergebnis: eine weisse Fläche! Betrachten wir nun aber eine grade Kante dieser weissen Fläche. Zum Beispiel den Mondrand (Dessen leichte Rundung vernachlässigen wir). Links sei es dunkel, rechts sei es hell. Ein weisser Punkt genau an der Kante hat nun links von sich genau einen Halbkreis um sich herum, an den sein Blausaum Licht abgibt, ohne welches zurück zu erhalten. Rechts von sich hat er einen fast gleichgrossen Halbkreis, an den er Licht abgibt und zurück erhält. Hier stimmt das Verhältnis nicht mehr. Man kann sich leicht ausmalen, daß der Punkt nur 50% seines abgebenen blauen Lichts zurück erhält. In Farbwerten ausgedrückt bekommt der Punkt nun die Farbe rot=242, grün=255, blau=191. Das ist genau die Farbe, die wir erhalten, wenn wir die Hälfte des Blausaums und des Rotsaums aus unserem ersten Versuch benutzen. Der Punkt wird also blass gelbgrünlich gefärbt. Ein direkt benachbarter Punkt im Schwarzen erfährt nun das gleiche Wechselspiel mit umgekehrten Vorzeichen. Er kann kein Licht abgeben, aber er erhält fast die gleiche Menge an rotem und blauen Licht von Punkten aus dem hellen Bereich, wie der benachbarte helle Punkt. Das sind dann rot=12, grün=0 und blau=64. Er wird deutlich bläulich und zwar fast doppelt so hell wie der Blausaum um den Stern zu Anfang. Für die spätere Betrachtung wird wichtig sein, daß der schwarze "Punkt" 25% des Blauwertes einer benachbarten weissen Fläche erhält. Wir haben nun das typische Farbenspiel eines achromaten am Mondrand gesehen: Weisse Innenfläche, am Rand eine gelbgrünliche Zone und ein deutlicher blauer Saum. Beim Mond mit seinen harten schwarz/weiss Kontrasten stört das die Erkennbarkeit von Details nur recht wenig. Es kann aber für sehr kleine Details unterhalb der Auflösungsschwelle über sehen oder nicht sehen entscheiden. Beim Jupiter allerdings sieht die Sache anders aus. Hier haben wir blassbraune Wolkenbänder und bläulichweisse Wolkenbänder. Dazu den blassroten "grossen roten Fleck". Die hellen Wolkenbänder kann man mit der Farbe rot=240, grün=250, blau=255 simulieren. Die dunkleren, blassbraunen Wolkenbänder tragen dazu passend die Farbe rot=253, grün=219 und blau=172. Betrachten wir nun die grenze zwischen einem dunklen und einem hellen Band. Das ist genau der Ort, wo Wolkenwirbel, Girlanden, etc, also feine Details sichtbar sind. Betrachten wir nur die Blauwerte, in denen sich ja der Farbfehler in der Hauptsache abspielt. Im dunklen Band ist blau=179, im hellen ist blau=255. Nun haben wir oben errechnet, daß ein schwarzer Punkt am Rand einer hellen Fläche 25% von deren Blauwert erhält. Nun ist dieser Punkt nicht dunkel, sondern nur um den Wert 255-179=76 dunkler. Wir dürfen die Differenz nur auf den Wert 76 anwenden. 25% von 76 sind 19. Wir müssen unseren dunklen Punkt also um den Wert 19 im blauen aufhellen. Das gibt einen Farbwert von blau=191 statt 172. Die Färbung wird deutlich blasser. Dies ist aber nur für einen Punkt an einer geraden Kante gerechnet. Einen dunklen Wolkenwirbel, der in das helle Band hineinragt, trifft der Effekt wesentlich stärker, da er ja zu mehr als "50%" von hellen Punkten umgeben ist. Hier können also durchaus 75% auftreten. Das ergibt dann einen Wert von blau=229. Dies färbt unser feines Wolkendetail blassrosa. Mit den so ermittelten Farben ist ein Jupiterdetail in Abbildung 3 gezeichnet. Dieser “Jupiter” hier hat, der Erklärung willen, 3 Wolkenstreifen Der unterste Wolkenstreifen stellt das Originalbild dar. Der obere Wolkenstreifen ist der Abbildung einer Optik mit Farbfehler nachempfunden, er hat aber eine glatte Kante. Der mittlere Wolkenstreifen entspricht ebenfalls der Darstellung mit Farbfehler. Die Streifen mit Farbfehler haben auch eine entsprechend gelbe Kante bekommen. Die beiden unteren Wolkenstreifen aber enthalten kleine Details. Dies sind jeweils drei "Auswüchse" in den hellen Bereich. Die beiden Streifen enthalten die gleichen 3 Details an verschiedenen Stellen, oben oder unten. Eines ist 2x2 Pixel, eines 2x1 Pixel und eines nur ein Pixel groß. Also los, man versuche, jeweils 3 Details in einem der beiden unteren Wolkenstreifen zu erkennen! Abb. 3: Der untere Streifen enthält Details ohne Farbfehler, der mittlere trägt gleich grosse Details, aber durch Farbfehler abgeschwächt
Man kann anhand dieser Übung schön erkennen, daß man feine Details schwieriger erkennt, wenn sie durch den Farbfehler verblassen. Und dabei sind die hier benutzten Brauntöne eigentlich zu kräftig. Nun stelle man sich noch das bei der Beobachtung störende Seeing vor...
Man sieht also, daß gerade der Jupiter seine Details in einem Farbbereich hat, in dem blau einen merklichen Anteil am Kontrast hat. Dieser wird durch den Farbfehler bei kleinen Details deutlich verringert, wodurch viele Details unsichtbar werden. Der Farbfehler, von dem wir hier sprechen, ist eher der eines Achromaten mit 120/1000 in guter Qualität. Ein 120/600 hat einen wesentlich kräftigeren Farbfehler, was zu entsprechend schlechterer Erkennbarkeit von Details führt. Der kräftigste, derzeit käufliche Farbfehler findet sich im 150/750 Achromat.
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