Brauche ich wirklich einen Sonnenfilter? Ja! Okularsonnenfilter in Kunststoffassung nach 4 Minuten in einem 114/900 Newton! Zum Glück nur fotografische Verwendung!
Obiges Bild ist ein wunderbares Beispiel für die Gefahr, die von der Sonnenbeobachtung mit unzureichender Ausrüstung ausgeht. Unfälle bei der Sonnenbeobachtung haben leicht die Erblindung zur Folge. Da seit der Sonnenfinsternis 1999 die Notwendigkeit eines Augenschutzes hinreichend bekannt ist, geht die grösste Unfallgefahr jedoch vom Okularsonnenfilter aus! Astronomie.de-Forenteilnehmer jenso1982 erlebte diesen geplatzten Filter. Den Lichtblitz bekam nur die Webcam zu spüren...
Um die auftretenden Energien einmal zu kategorisieren: Ein 114mm Teleskop mit 900mm Brennweite erzielt nahe des Brennpunktes die 20-fache Leistung einer Herdplatte. Das dieser Wert nicht übertrieben ist zeigt die folgende Rechnung über die Lichtverstärkung eines gebräuchlichen 114mm Spiegelteleskops im Detail: Bei recht klarem Wetter strahlt die Sonne mit mehr als 1000W/m² auf die Erde. Unser Beispielteleskop soll 114mm Spiegeldurchmesser haben, also 0,0102m² Lichtsammelfläche. Die Sonne hat etwa 0,5° scheinbaren Durchmesser am Himmel. Bei 900mm Brennweite bildet die Teleskopoptik dann ein Sonnenscheibchen mit 8mm Durchmesser ab. Dies entspricht einer Fläche von ca. 50mm². In Quadratmetern ausgedrückt wirkt die Zahl etwas unhandlich: 0,00005026544m². Das gesammelte Licht von 0,0102m² Spiegelfläche wird also auf nur 0,000050m² gebündelt. Die Lichtverstärkung ist dann 203-fach: ( 0,0102m²/0,00005026544m²). Da die Sonne 1000W/m² leistet, werden nach der Bündelung also 203 kW pro m² erreicht. Nehmen wir nun als Vergleich eine Herdplatte mit 1000 Watt und 18cm Durchmesser. Sie hat eine Fläche von etwa 0,1m². 1000W/0,1m² ergibt also 10 kW/m². Das ist zwar das zehnfache der Sonneneinstrahlung, die Bündelung durch das Teleskop erzielt aber eine 20x intensivere Strahlung. Selbst wenn durch Lichtverluste am Spiegel und wegen der Fangspiegelabschattung nur 50% des Lichts am Ende des Teleskops ankämen, wären das immer noch zehn mal mehr Leistung pro Fläche, als bei einer Herdplatte. Dies ist die Strahlungsintensität, die ein ins Okular geschraubter Sonnenfilter aushalten muß! Glauben Sie, der Filter eines Kaufhausteleskopes könnte diese Hitze aushalten? Wenn ja - dann legen sie ihn doch auf ihren Herd... Fakt ist, daß die Okularsonnenfilter einfach platzen oder schmelzen. Außerdem wird der Fangspiegel eines Spiegelteleskopes ebenfalls erhitzt und eventuell beschädigt. Zumindest erzeugt er störende Wamrluftschlieren im Bild. Ein vernünftiger Filter muß wirken, bevor das Licht gebündelt wird - vor der Teleskopöffnung. Okularsonnenfilter? Wegwerfen!
Würden Sie ihr Auge auf eine Herdplatte drücken? Angenommen, das Sonnenabbild im Auge des Beobachters bedeckt nach Vergrösserung durch das Okular insgesamt eine Netzhautfläche mit 3cm Durchmesser. Dies sind 0,0007m². Hier kommt auch wieder die Fläche des Teleskopspiegels mit 0,0102m² ins Spiel: 0,0102m²/0,0007m² = ca 14,4x. Die Sonneneinstrahlung wird also auf 14,4 kW pro Quadratmeter verstärkt. Fazit: Wer durch ein Teleskop ohne Filter die Sonne betrachtet, kann sein Auge genausogut auf eine heiße Herdplatte drücken. Welche Sonnenfilter sind sinnvoll? Sinnvoll sind zunächst einmal solche Sonnenfilter, die vor der Teleskopöffnung angebracht werden. Üblicherweise wird die Wirksamkeit eines Sonnenfilters mit dem Wert der Neutralen Dichte (ND) angegeben. Für visuelle Beobachtungen empfehlen sich Sonnenfilter mit dem Wert ND 5. Filter mit ND 4 oder ND 3,5 liefern schon ein zu helles Sonnenbild und dienen ausschließlich fotografischen Zwecken zur Verkürzung der Belichtungszeit. Für heutige Digitalkameras sind sie eigentlich nichtmal mehr nötig. Als Filtermaterial sind Glas oder Folie prinzipiell gleichermaßen geeignet. Es gibt reflektierende und schwarze Folie, sowie reflektierende und dunkel eingefärbte Filter. Die reflektierenden Filter sind metallbedampft, wodurch die empfindlich dünne Metallschicht vorsichtig behandelt werden muss. Während die Folie schnell beschädigt werden kann, treten bei billigen Glasfiltern z.B. Keilfehler oder Wellen im Glas auf, die ein unscharfes Sonnenbild verursachen. Für beide gilt: vor jeder Verwendung des Filters sollte er in die Sonne gehalten werden und mit blossem Auge auf Beschädigungen der Filterschicht getestet werden. Am sichersten ist ein speziell für die Sonnenbeobachtung ausgewiesener und dunkel gefärbter Glasfilter. Dieser ist mechanisch am stabilsten und kann bei gutem (teuren) Schliff das beste Bild liefern. Da der Filter vor der Teleskopöffnung sitzt, ist das Sonnenlicht noch nicht gebündelt und der Filter kann es gefahrlos aushalten. Zweckentfremde Materialien, das böse Wort “Rettungsfolie” sei genannt, kann ich keinesfalls empfehlen. Im Gegenteil. Besonders im Infrarot- und UV-Bereich sind diese Folien durchlässiger, als man es mit bloßem Auge zu sehen glaubt. Bei aller Liebe zum Sparen: 20,-€ für einen A4 Bogen guter, mehrfach bedampfter ND 5 Folie machen doch niemanden arm, oder? Wer nur ein kleines Teleskop zu bestücken hat, kann sich den A4 bogen mit anderen Sternfreunden teilen. Wer längere Zeit die Sonne beobachten möchte, wird meist außerdem zu einem UV/IR-Sperrfilter greifen. Dieser bei geradem Einblick wie Klarglas erscheinende Filter trägt eine Beschichtung, die Wärme und UV-Licht ins Teleskop zurück spiegelt, also vom Auge abhält. Ein solcher Filter wird in das Okular oder den Zenitspiegel eingeschraubt und ist nicht besonders teuer. Während der Astrofotograf gerne Sonnenfilter mit einem leicht orangenem oder gelblichen Sonnenbild bevorzugt, wird der rein visuelle Beobachter oder Zeichner eher einen neutralen Filter bevorzugen. Wobei das letztendlich Geschmackssache ist. Wichtig ist außerdem, daß der Filter fest sitzt und nicht versehentlich oder durch Wind herunterfallen kann. Außerdem sollte das Teleskop auch bei kurzen Beobachtungspausen von der Sonne weggedreht werden. So können Folienfilter aussehen. Links wurde der Filter zwischen zwei Pappscheiben mit Lochausschnitt gelegt, damit die Folie entspannt liegt. Rechts wurde die Folie zwischen zwei übereinandergeschobenen Pappringen sanft eingespannt.
Sonderfall HerschelkeilEin Sonderfall ist das Sonnenprisma, auch Herschelprisma oder Herschelkeil genannt. Es kann praktisch nur mit Linsenteleskopen zum Einsatz kommen, weil es ähnlich wie ein Zenitspiegel vor dem Okular zum Einsatz kommt. Bei der Benutzung des Herschelkeils bedarf es großer Vorsicht. Da das Teleskop zunächst die volle Energie des Sonnenlichts aufnimmt, können Bedienfehler schlimme Folgen haben. Außerdem reicht der Herschelkeil allein nicht als Sonnenfilter aus, da auch hinter dem Herschelkeil noch genug Sonnenlicht ankommt, um ein dezentes Loch in eine Okular-Abdeckkappe zu brennen! Ein solches Sonnenprisma darf nur genau nach Bedienungsanleitung eingesetzt werden. Hektik ist insbesondere beim Okularwechsel zu vermeiden. Das Teleskop darf nicht unbeaufsichtigt laufen, denn sobald die Sonne aus dem Sichtfeld heraus wandert, kann gebündeltes Sonnenlicht mit voller Energie die Innenwand des Teleskops treffen und aufheizen. Der Herschelkeil ist also nur für erfahrene Sonnenbeobachter gedacht, an die sich dieser Artikel nicht richtet. Ausführliche Messungen zum Verhalten verschiedener Sonnenfilter gibt es übrigens bei Peter Höbel: http://www.sonnen-filter.de/
|