Farbwahrnehmung an SternenDer Farbeindruck den ein Beobachter von einem Stern hat, ist einerseits stark geprägt von individuell unterschiedlicher Farbwahrnehmung einzelner Beobachter, aber andererseits auch von der mit der jeweiligen Kombination aus Teleskop und Okular erzielten Sternabbildung. Kein wunder, dass es zu recht unterschiedlichen Beobachtungsberichten kommt. Albireo, der “Kopf” des Sternbilds Schwan, ist wohl der bekannteste farbige Doppelstern - nicht jeder Beobachter sieht aber die Kombination als orange-blau an. Zeichnung von Günther Mootz.
Sternfarben sind tatsächlich in den allermeisten Fällen keine Knallfarben, sondern helle Pastelltöne. Nur einige Kohlenstoffsterne, häufig veränderliche, können dunkelrot erscheinen, und selbst dabei ist das Farbempfinden der Beobachter sehr unterschiedlich, so dass Beschreibungen zur gleichen Beobachtungszeit zwischen Orange und Rot variieren. Nicht wenige Beobachter müssen erst darauf hingewiesen werden, zum Beispiel beim Blick auf bekannte Objekte. In H & Chi fallen einige rote Riesen auf und in Messier 37 findet man schon mit kleineren Geräten ein oranges „Einauge“ in der Haufenmitte. Mit freiem Auge sollte schon die rötliche Farbe von Beteigeuze auffallen - aber eben rötlich, nicht tief rot. Beteigeuze gehört zur Spektralklasse M. Besonders spannend sind Farbvergleiche. Das funktioniert gut bei Doppelsternen unterschiedlicher Spektralklassen, wofür Albireo das Paradebeispiel ist. Hier haben die meisten, aber nicht alle Beobachter, einen orange-blauen Farbeindruck. Grüne Sternfarben sollte man dagegen eigentlich nicht erkennen können, denn die Sternfarben verändern sich nach Spektraltyp von heißen, blauen O- und B-Sternen über eher weiße A, F und G Sterne (wir empfinden natürlich das Licht unserer Sonne mit der Spektalklasse G als weiß) zu den orangen K und M Sternen. Auch wenn M-Sterne im Katalog meist eher rot genannt werden, sind sie für den Beobachter meist eher orange. Rote Riesen, die im ein oder anderen Sternhaufen auffallen, erscheinen eher orange. Erst exotischeren Spektraltypen können wirklich rote Farbtöne aufweisen – und selbst diese Kohlenstoffsterne empfinden, wie schon erwähnt, nicht alle Beobachter als rot, sondern manche eher als orange. Kohlenstoffsterne sind für ihre orangen bis roten Farbeindrücke bekannt. Hier hat Günther Mootz an seinem 12 Zoll Dobson den Anblick von v Aquilae im Sternbild Adler gezeichnet.
Die Farbwahrnehmung ist nicht für jeden Beobachter gleich. Hier setzt auch ein besonderer Modus der Netzhaut ein, und zwar mesopischen Sehen. Normalerweise wird unterschieden zwischen dem photopischen Sehen bei Tageslicht, dem Zäpfchensehen, welches die Erkennung von Farben erlaubt, und dem skotopischen Stäbchensehen, was keine Farbe erkennen lässt, aber das Auge erheblich Lichtempfindlicher macht (nachts sind alle Katzen grau). Das Stäbchensehen ist dabei fast nur für grünes Licht empfindlich, ohne dass dabei die Farbe Grün erkannt wird – wie schon gesagt: grau! Sternfarben werden aber mesopisch erkannt, das heißt dass die Netzhaut durchaus in der Lage ist, Farbreize zu erkennen, wenn punktuell genug Licht für eine Farberkennung ankommt, was bei ausreichend hellen Sternen der Fall ist. Ausreichend hell, das ist eine Bedingung, die direkt von der verwendeten Teleskopöffnung abhängt. Je größer die Öffnung ist, desto heller erscheinen die Beugungsbilder der Sterne für den Beobachter, so dass mehr Sterngrößenklassen erkennbar werden, als freiäugig oder mit einem kleineren Teleskop. Der offene Sternhaufen Messier 103. Der helle Mehrfachstern Struve 131, zu dem die farbigen Komponenten gehören, ist aber gar nicht Teil des Sternhaufens sondern steht zufällig und viel näher davor. Zeichnung: Günther Mootz
Wer sich mit Optik etwas auseinandersetzt, versteht eigentlich, dass das Öffnungsverhältnis eines Teleskops der Kehrwert der Öffnungszahl ist, die bei der Fotografie auch Blende heißt. Sie ist eine Angabe der Bildhelligkeit, so dass mit unterschiedlichster Teleskopöffnung bei gleicher Blende immer gleich lang belichtet wird. Das Bild in der primären Bildebene eines Teleskops mit f/8 ist immer gleich hell, egal wie groß die Öffnung ist. Wieso aber sollen dann mehr Sterngrößenklassen erkennbar sein? Das liegt daran, dass ein Amateurteleskop gar nicht in der Lage ist, einen Stern wirklich so klein darzustellen, wie er eigentlich ist. Ein Stern ist um ein vielfaches kleiner, als der kleinst mögliche Abbildungspunkt selbst großer Teleskope. Ausnahmen bilden nur sehr nahe und gleichzeitig riesige Sterne. Ein Beispiel dafür wäre Beteigeuze in ca. 550 Lichtjahren Entfernung mit dem 760-fachen Durchmesser unserer Sonne. In einem Teleskop mit über 4m Öffnungsdurchmesser sollte sie gerade eben flächig erkennbar sein. Das heißt, dass unsere Teleskope Sterne immer als viel zu große Beugungsbilder darstellen. Mit größerer Teleskopöffnung werden die Beugungsbilder im Okular zwar nicht kleiner, weil man relativ zum Optikdurchmesser entsprechend mehr nachvergrößert, aber je größer die Optiköffnung ist, desto näher kommt das Beugunsbild der wahren Punktgröße des Sterns – ohne sie je mit Amateurmitteln zu erreichen und auch Profi-Teleskope sind bei den weit entfernten Durchschnittsternen in unserer Milchstraße weit entfernt davon. Da nun das Licht eines Sterns also immer auf eine viel zu große Beugungsstruktur verteilt wird, ist der Unterschied zwischen einem kleinen Teleskop und einem Teleskop doppelter Öffnung nun der, dass die Beugungsfigur des doppelt so großen Teleskops nur „halb so schlimm zu groß ist", und damit nimmt die Beugungsfigur nur ein Viertel der Fläche ein – somit ist die Leuchtdichte der Beugungsfigur aber schon vier mal größer. Für das Beobachterauge sollte die Beugungsfigur aber nur als ein Punkt erscheinen. Das bleibt so über fast den gesamten nutzbaren Vergrößerungsbereich und solange das Auge vom Stern nur einen Punkt sieht, bleibt der Punkt auch gleich hell, weil die gleiche Lichtmenge auf eine Sehzelle der Netzhaut fällt. Erst im Bereich um 1mm Austrittspupille, wenn der Vergrößerungsfaktor gerade der Teleskopöffnung in Millimetern entspricht, wird die Beugungsfigur flächig erkennbar – und gleichzeitig nimmt dann ihre Helligkeit bereits ab, weil sich das Licht auf mehrere Sehzellen der Netzhaut verteilt. Die Helligkeit der Fläche des Himmelshintergrundes nimmt hingegen mit steigender Vergrößerung kontinuierlich ab, so dass mit etwas weniger Vergrößerung, etwa bei einer Austrittsupille von 1,5mm jener Punkt erreicht ist, an dem der Himmelshintergrund am dunkelsten ist, während die Beugungsfigur des Sterns noch die volle Helligkeit hat. Das ist optimal für die Erkennbarkeit von Sternen - aber nicht zwangsläufig für die Erkennbarkeit von Sternfarben. In der Mitte des Wildentenhaufens steht scheinbar - denn er befindet sich zufällig im Vordergrund - ein heller Stern, der einen sanft gelblichen Farbeindruck hinterlässt. Zeichnung: Günther Mootz.
Farben lassen sich nämlich umso besser erkennen, je flächiger man ein farbiges Objekt sieht. Das heißt der Stern muss hell genug im Bild erscheinen, um überhaupt das Zäpfchensehen zu ermöglichen, und es hilft, wenn der Stern nicht mehr ganz flächig ist – es kann also helfen, wenn schon etwas Unschärfe im Bild ist. Also hilft hier eigentlich eine nicht mehr ideale Abbildung. Das aber sollte man sich unbedingt im Detail anschauen: Woher die Unschärfe stammt, ist zunächst eigentlich egal. Am einfachsten durch etwas Übervergrößerung. Beobachter, die genau hinsehen, haben vielleicht schon die Erfahrung gemacht, dass manche Okulare feinere Sternabbildungen liefern, als andere. Die Beugungsbilder der Sterne unterscheiden sich auch je nach Teleskop. Zum einen haben Teleskope mit zunehmender Obstruktion, also einer Mittenabschattung, einen helleren ersten Beugungsring, der je nach Vergrößerung nicht mehr vom Beugungsscheibchen zu trennen ist – auch und gerade wenn Luftunruhe die Grenzen verwischt. Das betrifft Spiegelteleskope. Refraktoren hingegen sind je nach Bauart von einem Farbfehler betroffen, der entweder als Farblängsfehler durch unterschiedliche Brennpunkte für unterschiedliche Lichtfarben entstehen kann, oder als sogenannte Sphärochromasie (Gauß-Fehler), wenn die Korrektur der Optik nicht für alle Farben gleich gut funktioniert. Auch Katadiopter können als Mischtsysteme von kleinen Farbfehlern betroffen sein. Bei vielen Optiken fallen sie im Normalfall gar nicht auf. Wenn es aber darauf ankommt, dass ein Stern gerade eben flächig erkennbar wird, dann spielt es eine große Rolle für den Farbeindruck, ob das Beugungsscheibchen für blaues und oder rotes Licht minimal größer ist, als das für grünes Licht. Wenn das passiert, kann der Farbeindruck durch den farbigen Bildfehler erheblich verändert werden, und zwar ganz subtil, wenn man noch gar nicht erkennt, dass der Stern eigentlich von einem Farbsaum umgeben ist. Ein solcher Farbsaum hat auch noch einen weiteren Effekt: Der Farbsaum zieht in der entsprechenden Farbe natürlich auch Helligkeit, das heißt Farbanteile, aus dem Zentrum des Beugunsscheibchens ab und verteilt diese in der Fläche, was auch wieder den Farbeindruck verändert. Auch T Lyrae im Sternbild Leier ist ein Kohlenstoff-Stern, wieder gezeichnet von Günther Mootz.
Geräte, bei denen das ganz klassisch und gut erkennbar der Fall ist, sind Achromate. Selbst ein gut ausgelegter FH wie ein 80/1200, der nicht nur das Sidgewick-Kriterium sondern sogar gerade eben den Conrady-Standard bezüglich Farbkorrektur erreicht, zeigt ausreichend helle, eigentlich weiße oder blaue Sterne tatsächlich zitrongelb. Der Farbsaum, der vergleichsweise dunkel und königsblau bis violett ist, wird nur um sehr helle Sterne erkennbar – trotzdem ist aber durch den Abzug von Licht die Farbverfälschung bereits da. Aber auch Geräte, bei denen man eigentlich nicht damit rechnet, sind betroffen. Die Rede ist von jenen Apos oder ED- bzw. SD-Apos, bei denen die Korrektur für tiefblaues und violettes, aber gegebenenfalls auch für rotes Licht nicht ausreicht, so dass ebenfalls entsprechende Farbsäume um helle Sterne erkennbar werden. Sie sind für gewöhnlich um eine gute Größenordnung schwächer, als die Farbsäume bei Achromaten und FHs – sonst möchte man die Geräte nicht Apo nennen – aber sie sind eben vorhanden und haben ihren Einfluss. Beobachtungen farbiger Sterne mit solchen Geräten können schön sein und zeigen natürlich auch unterschiedliche Sternfarben, die so gewonnenen Farbeindrücke sind durch den Rest-Farbfehler der Optik verfremdet. Bei jenen Achromaten, die ein erheblich zu großes Öffnungsverhältnis haben, sieht man schließlich recht drastisch veränderte Farbeindrücke. Das bedeutet nicht, dass man die Sternfarben in den herablassend als „Blausäue“ bezeichneten Geräten nicht mögen darf. Es wäre nur ein Fehler, diese Farb-Eindrücke für real zu halten. Spätestens wenn der Farbeindruck des Sterns sich beim langsamen Durchfokussieren verändert, weiß man, dass die Optik den Farbeindruck verfremdet. Wenn es um reale Farbeindrücke geht, sind reine Spiegeloptiken und hoch korrigierte Voll-Apos einfach das Mittel der Wahl, und zwar nur, wenn sie mit zur Optik passenden Okularen bestückt werden – denn auch Okulare können den ein oder anderen, auch farbigen Bildfehler einführen. Man sollte also um die Abbildungsqualität seines Teleskops wissen. Wer aber die Gelegenheit hat, sich in einer Beobachtergruppe direkt über die gesehenen Farbeindrücke auszutauschen, wird feststellen, dass auch an Teleskopen mit perfekter Bildwiedergabe das Farbempfinden sehr unterschiedlich ist. Im Extremfall übrigens kann es passieren, dass ein Beobachter keine Chance hat, Sternfarben zu erkennen, weil er nicht mesopisch sehen kann.
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