Skywatcher Heritage 114 VirtuosoEine neues Spielzeug-Teleskop Wer die Werbefotos kennt... Kaum wiederzuerkennen: Das Heritage 114 mit Sonnenfilter in einer stabilen Rockerbox “Mikro”, da uns die Virtuoso-Montierung nicht zur Verfügung stand.
Teleskope mit den Eckdaten 114/500 und 114/450 werden von erfahrenen Sternfreunden schon seit langem kritisch beäugt. Der Grund für das besondere "Interesse": Es gibt nur wenige Geräte mit diesen Eckdaten, die den Titel "Teleskop" verdienen. Dagegen haben viele Serien erhebliche Mängel bzw. von vornherein vorgesehene Konstruktionsfehler. An dieser Stelle sei nur kurz erwähnt, dass zahlreiche dieser Geräte einen sogenannten Kugelspiegel haben, während für eine einwandfreie optische Abbildung ein Parabolspiegel benötigt wird. Andere haben einen zu kleinen Sekundärspiegel, der dann von der teuer bezahlten Hauptspiegelfläche nur grob die Hälfte für den Beobachter nutzbar macht. Mit mechanischen Mängeln rechnet man in dieser Teleskopklasse hingegen von vornherein und zahlreiche Sternfreunde haben bereits brauchbare Tipps zum Nachbessern abgegeben. Allerdings haben solche Nachbesserungen ihre Grenzen und hier kommen wir zum Skywatcher Heritage 114, bzw. je nach Händler zum Skywatcher Heritage 114p. Das Gerät begegnete mir life auf einem Teleskoptreffen im September 2015. Günther Mootz hatte es Aufgrund einer Anfrage im Verlauf eines Foren-Threads (ohne die Virtuoso-Montierung, die hier nur Gegenstand genereller Überlegungen sein wird) übernommen, um es für den betroffenen Sternfreund mechanisch nachzubessern. Nun, das beschreibt das grundsätzliche Problem dieses Teleskops nicht wirklich. Aber vielleicht betrachten wir zunächst die Eckdaten: Beworben wird das Gerät als Newton mit 114mm Hauptspiegeldurchmesser und 500mm Brennweite. Der auffällig in rot-metallic lackierte Tubus wird auf einer Einarm-Goto-Montierung, der "Skywatcher Virtuoso", geliefert. Sie ist für die Aufstellung auf einem (hoffentlich stabilen) Tisch gedacht, kann aber mit Standard 3/8 Zoll Fotogewinde anstelle des Neigekopfes auf handelsüblichen Stativen aufgesetzt werden. Mitgeliefert werden Okulare für 20-fache und 50-fache Vergrößerung. Dazu wird als Zubehör ein Leuchtpunktsucher, ein Kamera-Auslösekabel mit Canon Anschluss und ein L-Halter aufgelistet. Als besonderes Zubehör lässt sich die Virtuoso-Montierung mit einer anderen Handsteuerbox zu einer Goto-Montierung aufrüsten, die nach dem sogenannten Alignment, das ist das Eichen der Steuerung auf die aktuelle Himmelsposition durch das Anfahren zweier oder dreier Sterne, eine Vielzahl eingespeicherter Objekte automatisch ansteuern soll. Üblicherweise mehr, als mit dem Gerät überhaupt erkennbar werden. Was die beworbenen Fähigkeiten betrifft, so zitiere ich hier die Webseite der Firma Teleskop-Service (Stand 19.9.2015): ♦ Sehr gute Abbildung, gut für Planetenbeobachtung ♦ 170fache Vergrößerung angenehm, 228x möglich ♦ Ausgedehnte Objekte beobachtbar ♦ Montierung kann DSLR-Kamera ausrichten und auslösen Andere Anbieter wie Astroshop oder APM lassen ähnliche Punkte mehr oder weniger deutlich in den Beschreibungstext einfließen. Soweit so gut, Klappern gehört zum Handwerk und Werbung bedeutet nun einmal nicht, die Nachteile eines Geräts in den Vordergrund zu stellen. Wir müssen diese Aussagen aber im folgenden einmal aus Sicht der Praxis und mit den nötigen Optikkenntnissen beleuchten! Statt einem Tisch eine stabile Beobachtungsplattform, statt der Virtuoso-Montierung eine Rockerbox Micro, dazu Taukappe und Sonnenfilter mit ND5- Folie: So stand das Gerät auf dem Beobachtungsplatz.
Wie schon in der Einleitung angedeutet, fragen sich erfahrene Sternfreunde beim Blick auf einen 114/500 oder 114/450 Newton als erstes: Hat das Gerät den erforderlichen Parabolspiegel. Diese Frage ist entscheidend, denn für eine ordentliche, scharfe Abbildung benötigt ein Teleskop der Newton-Bauart generell einen Spiegel mit Parabolform. Ein Spiegel mit Kugelform ist im Prinzip nicht in der Lage, Sternenlicht in exakt einem Punkt zu bündeln. Allerdings gibt es ausnahmen, dann nämlich, wenn durch eine lange Brennweite im Verhältnis zur Öffnung die Abweichung zwischen Parabolform und Kugelform nur noch wenige Nanometer ausmacht. Das ist der Fall beim 114/900 Newton und im Rahmen des erlaubten grenzwertig. Praktisch schon knapp jenseits des erwünschten ist ein 150/1200 Kugelspiegel - man findet am Markt sowohl Angebote auf Basis eines Kugelspiegels als auch höherwertig (aber nicht unbedingt spürbar teurer) mit Parabolspiegel. Optisch eher unbrauchbar sind hingegen Geräte, die einen Parabolspiegel absolut erforderlich machen, aber aus Preisgründen mit billigen Kugelspiegeln ausgestattet werden. Ein besonders krasses Negativ-Beispiel sind hier billige 200/800 Geräte, aber eben auch 114/450 und 114/500 Optiken. Das Wort "Teleskop" sei hier bewusst vermieden. Aber Beruhigung: Der Skywatcher Heritage 114 Virtuoso macht hier zunächst wenig Sorge, denn nicht nur die eindeutigen Produktbeschreibungen, sondern auch die bei einigen Händlern verwandte Benennung als 114p (wie parabolisch) weisen darauf hin, dass hier tatsächlich Optiken mit Parabolspiegel verbaut werden. Wir gehen davon aus, dass ob p oder nicht die Bewerbung als Parabolspiegel-Teleskope zumindest zu diesem Zeitpunkt (September 2015) stimmt. Wie üblich, findet man bei Komplettsets für Einsteiger allerdings, dass man mit dem beigelegten Zubehör das optische Potenzial des Gerätes kaum abrufen kann. Hier messen wir das Zubehör erst einmal naiv an der Händleraussage 170-fach bis 228-fach als Grenzbereich. Beigelegt sind also Okulare mit 10mm und 25mm Brennweite. Aus 500mm Teleskopbrennweite ergeben sich (500mm/10mm=) 50-fach und 20-fach. Für die Planetenbeobachtung ist uns das nicht nur zu wenig, sondern viel zu wenig. Hier würden wir als Minimum die Anforderung 120-fach stellen (siehe Kasten). | | | Notwendige Vergrößerung für die Planetenbeobachtung Der größte Planet des Sonnensystems, Jupiter, hat von der Erde aus einen scheinbaren Durchmesser von 32 bis 48 Bogensekunden. Um ihn so groß zu sehen, wie den Vollmond mit bloßem Auge, müsste man zwischen 56-fach und 38-fach vergrößern - je nachdem, wie weit Jupiter gerade entfernt ist. Das entspricht grob einem 50 Euro-Cent Stück aus ca. 3m Entfernung betrachtet und wer das nachstellt merkt, dass man von der Münze zwar noch den aufgeprägten Wert, aber sonst wenig Detail erkennt. Die Münze ist auch deshalb ein gutes Beispiel, weil Oberflächendetails auf Planeten nicht schwarz auf weiß gedruckt sind, sondern gerade bei Jupiter nur in Pastelltönen erscheinen. Mit harten Kontrasten, eben schwarz auf weiß, kann man eher bei der Mondbeobachtung rechnen. Um also ein gewisses Level an Details erkennen zu können, sollte man zwei- bis dreimal stärker Vergrößern. 120-fach als unterste Grenze ist also eine gute Annahme. |
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Es wird also klar, dass man für den vom Händler selbst angepriesenen Einsatz noch mindestens ein Okular nachkaufen muss. 5mm Okularbrennweite (100-fach) sind da eigentlich noch zu wenig und das schränkt die Auswahl an verfügbaren Produkten ein. Man stellt fest, dass man gar nicht so einfach ein Okular findet, welches 220-fache Vergrößerung erlauben würde. 170-fach würde ein 3mm Okular benötigen, oder ein 6mm Okular kombiniert mit einer 2x Barlow. Wie kommt nun der Händler (und diese Angabe findet sich bei anderen Händlern genauso bzw. völlig undifferenziert mit dem bloßen Maximalwert von 228-fach) auf diese Angaben? Es ist einfach ein theoretisch machbarer Wert der sich aus dem Durchmesser der Teleskopöffnung ableitet. Die meisten Sternfreunde sehen das doppelte der Öffnung (in Millimetern) als Obergrenze der sinnvollen Vergrößerungsfähigkeit eines Teleskops. Obergrenze? Das bedeutet, dass dieser Wert nicht bei allen Objekten sinnvoll ist, und dass dazu die Optik ohne Fehl und Tadel sein muss. Und da sind wir nun endlich beim Knackpunkt angekommen. Die Optik muss ohne Fehl und Tadel sein? Ja geht das denn? Nun, eigentlich geht das nicht. Keine Optik ist wirklich so ideal wie die theoretische Idealform. Das fängt an mit der Genauigkeit der Oberflächen und endet in der Praxis mit der niemals homogenen Luft unserer Atmosphäre. Und auf dem Weg dazwischen ist ein wichtiges Element die Justage der optischen Elemente. Das heißt bei einem Newton-Teleskop müssen Haupt- und Fangspiegel so zueinander justiert sein, dass die Achse durch die Mitte der Optik, die optische Achse, gerade durch den Tubus läuft und in der Mitte des Okulars ankommt. Natürlich darf das Okular dann auch nicht schief geklemmt sein. Bei einem Newton, dessen Öffnung zur Brennweite im Verhältnis 1:4 steht, also ein f/4-Newton, kommt der Justage besonderes Gewicht zu. Die Abbildungsqualität des Hauptspiegels ist nämlich nur sehr nahe an dieser optischen Achse optimal. Mit zunehmendem Abstand davon, wird die Abbildung spürbar schlechter. Ein Parabolspiegel kann nämlich nur in der Bildmitte optimal abbilden, während abseits davon Koma als Bildfehler auftritt. Eigentlich punktförmige Sterne erhalten durch diesen Bildfehler einen Lichtausbruch von der Mitte weg, ein Schweifchen, das man Koma nennt. Je kürzer die Brennweite im Verhältnis zur Öffnung ist, umso kräftiger fällt dieser Bildfehler auf. Das heißt der hier besprochene 114/500 Newton ist davon weit kräftiger betroffen, als ein 114/900 Newton. Und daher kommt bei diesem Gerät der optimalen Justage besonderes Gewicht zu. Dazu findet man jeweils Justageschrauben am Fangspiegel und am... Moment mal? Hier stockt dem erfahrenem Sternfreund nämlich der Atem: Der Skywatcher Heritage 114 Virtuoso wird ohne Hauptspiegel-Justageschrauben geliefert!?! Und es sind nicht nur die Schrauben, die fehlen, sondern es fehlt überhaupt jede Möglichkeit, den Hauptspiegel passend zu justieren! Die Hauptspiegelzelle ist ein Kunststoffteil und gleichzeitig aus einem Guß der hintere Tubusabschluss. Man findet weder Justageschrauben noch sind diese unter einer abnehmbaren Abdeckung verborgen.
Aber vielleicht ist ja einfach der Hauptspiegel einmal sorgfältig und genau justiert in seine Halterung eingebaut worden, und brauch deshalb gar nicht justiert zu wer... Nein, lieber Einsteiger, träum weiter, das ist nicht der Fall! Als erfahrener Sternfreund weiß man nicht nur, dass der Aufwand für eine so sorgfältige Einpassung in der Preisklasse viel zu teuer wäre, sondern man weiß auch, dass kein normales Teleskop diese Justage für ein Jahr oder zwei beibehalten würde. Darum werden Newton-Teleskope mit Justageschrauben für Haupt- und Fangspiegel und manchmal auch mit welchen für den Okularauszug ausgestattet. Das war bisher sogar beim kleinsten Spielzeug-Newton, dem 76/750 so. Beim Skywatcher Heritage 114p auf der Virtuoso-Montierung findet man nun ein erstes, krasses Gegenbeispiel. Das uns von einem Einsteiger zur Verfügung gestellte Gerät war bei ersten Fotoversuchen mit unscharfen Bildern durchgefallen. Der übliche Tipp von erfahrenen Sternfreunden war nun, die Justage der Optik sicherzustellen. Aber - wie soll dies gehen, wenn nur der Fangspiegel justierbar ist? Vielmehr fragt man sich, wieso überhaupt noch der Fangspiegel justierbar sein mag, wenn mit dem fest verbauten Hauptspiegel schon das Kind in den Brunnen gefallen ist? Weitere Fragen taten sich auf. Die Hauptspiegelfassung komplett aus Kunststoff - wie muss sich die Optik verhalten, wenn das Gerät über die zu erwartende Spanne an Temperaturen eingesetzt wird? Plastik erfährt durch Temperatur eine weit stärkere Ausdehnung, als Glas und Metall. Es wird also eine Diskrepanz auftreten, wenn das Gerät bei 20°C in der Wohnung justiert wird, und dann bei moderaten 5°C in einer Spätsommernacht zum Einsatz kommt. Solche Probleme sind durchaus bekannt. Fangspiegelzellen vom Hersteller GSO haben regelmäßig das Problem, dass in kalten Nächten der Fangspiegel eingequetscht wird, so dass die Optiken starken Astigmatismus zeigen. Ein Bildfehler, bei dem ein Sternpunkt zu einem Kreuz deformiert wird. Und so sieht er von innen aus: Zu sehen sind die Spitzen der Befestigungsschrauben am Tubus, aber keine Justagemöglichkeit...
Hat man dann den Tubus vor sicht, stellt man fest, dass die ganze Konstruktion schlicht auch noch zu weich ist. Der Okularauszug verbog sich unter dem Gewicht der Kamera, bzw. was sich eigentlich verbog, war das Tubusblech, an dem der Fangspiegel befestigt war. Der Tubus selbst lässt sich durch einfachen Druck mit Zwei fingern drastisch verformen. Schuld daran ist mindestens, dass auch am vorderen Ende des Tubus der Abschlussring wieder nur aus Plastik gefertigt ist. Es handelt sich um ein Spritzgussteil, das gleich die Fangspiegelspinne integriert - und das trotz dieser Streben viel zu weich geraten ist. Eigentlich war sofort klar, dass hier erhebliche Abstriche zwischen der theoretisch denkbaren und der praktisch machbaren Leistung des Teleskops zu machen sein würden. Aber: Wie wirkt sich dies konkret aus, und was kann man tun? Die Überprüfung der Optik am Stern und mit Justierlaser brachte im Werkszustand nur ein Kopfschütteln hervor. Das war so nicht mehr zu richten. Dem Naturell der Forenkultur entsprechend, wurden diverse Lösungsansätze diskutiert. Justage durch Unterlegen des Hauptspiegels mit Korkscheibchen passender Dicke beispielsweise. Aber auch das wäre wieder eine starre Lösung gewesen, die für den Moment, aber nicht auf Dauer sinnvoll gewesen wäre. Günther entschied sich, die Bohrungen für die Hauptspiegel-Befestigung zu Langlöchern aufzufeilen. Dies ermöglicht wenigstens eine Grobjustage. Wer gewohnt ist, mit gekonterten M6 Schrauben auf eine Zehntel-Umdrehung genau zu justieren, und wer die Notwendigkeit für eine derart genaue Justage erkannt hat, der empfindet dies als übelste Krücke. Aber es ist immerhin überhaupt eine Möglichkeit, das Gerät zu justieren. Günther hatte dann auch einiges Gefummel, bis er einen Zustand erreichte, zu dem er nicht "justiert" sagte, den er aber für das machbare an Korrektur hielt. Zuvor aber ging es auch darum, diese Justage soweit zu stabilisieren, dass sie bei einem Schwenk von Horizont zu Zenit Bestand haben konnte. Denn auch dafür war der Tubus zu weich. Der Tubus erhielt einen genau eingepassten Verstärkungsring. Er ist 4cm breit und 12cm lang. Befestigt wurde er innen im Tubus mit den Schrauben von Okularauszug und Sucherhalterung. Dazu kam die übliche Velours-Auskleidung, die zum einen etwas isoliert und somit Tubusseeing reduzieren hilft. In der Hauptsache verbessert sie aber die Streulichtabschirmung, da schräg in den Tubus einfallendes Licht die Tubus-Innenwand gegenüber des Okularauszugs aufhellt und so auf direktem Wege störend ins Okular gelangt. Weichei: Es braucht nicht viel Kraft oder Gewicht, bis der Okularauszug sich nach jenseits jeder Justage neigt...
In diesem Zustand kam das Gerät unter Himmel. Mir selbst war die Sonnenbeobachtung mit Baader Sonnenfilterfolie vorbehalten. (Sonnenbeobachtung niemals ohne eine ausreichende Filterung mit ND5-Wirkung!) Ein 6mm Planetary entlockte der Optik rechnerisch 83-fache Vergrößerung. Immerhin zeigte sich so einiges an Details und auch kleine Sonnenflecken waren erkennbar. Mehr war der Optik bei dieser Beobachtung nicht zuzumuten. Die Justage zeigte sich als Schwachpunkt. Nach nochmaligem Nachbessern geriet die Justage noch mal etwas besser - man benötigt quasi Glück beim Festsetzen der Schrauben in den Langlöchern. Trotz allen Tunings liegen die Grenzen der Optik etwa bei 120-fach und mit entsprechendem "Schmerzempfinden" mag man ihr im äußersten Fall 150-fach für die Mondbeobachtung zumuten. Die Schärfe der Abbildung ist somit schlicht nicht vergleichbar mit dem, was sauber funktionierende Optiken mit ähnlicher Öffnung zeigen konnten. Das allerdings, so unsere Sorge, wird man als Einsteiger mangels Vergleich nicht feststellen können. Soll es also verwundern, wenn andere Einsteiger mit dem Gerät völlig zufrieden sind? Was wäre daran eigentlich so schlimm? Nun, schlimm ist dreierlei. Erstens ist es so, dass man in der Preisklasse bis 300 Euro wirklich drastisch viel mehr an optischer Leistung erhalten kann. Zweitens kann die Optik nicht die Anforderungen erfüllen, die wir oben minimal für sinnvolle Planetenbeobachtung gestellt haben. Drittens bleibt das Gerät damit extrem hinter den Erwartungen zurück, die allein aufgrund der Händlerbeschreibungen eindeutig berechtigt wären. Auch diese Bildüberlagerung zeigt, wie leicht der Tubus selbst an der eigentlich stabilsten Stelle, nämlich auf Höhe der Fangspiegelstreben, zum Ei gedrückt wird.
Auch auf weitere Schwächen möchten wir hinweisen. Da ist die als Tischmontierung konzipierte Virtuoso. Schon recht teuer, unserer Schätzung nach wird zu 3/4 diese Montierung bezahlt, bietet sie dennoch kein Goto, sondern erst einmal nur eine motorisierte Lösung. Ob die nun das Teleskop wackelfrei oder nicht halten kann, fragt sich eigentlich erst, wenn geklärt ist, ob der unter der Montierung notwendige Tisch die Montierung trägt. Eine wuchtige Gartengarnitur aus massiven Stämmen mag das wohl können, aber die typische Kombi aus Metall und Glas wird auch bei 80-fach nicht reichen und alles an Tisch was klappbar oder nicht aus Kunststoff gefertigt draußen stehen mag, ist hoffnungslos überfordert. Da liegt der Gedanke nahe, die Montierung einfach auf ein solides Stativ zu setzen - der Anschluss ist ja auch schon da: Wir erinnern uns an die 3/8 Zoll Schraube, mit der man nun also ein Stativ unter die Montierung setzen kann. Allerdings sollte es schon ein recht stabiles Stativ sein. Für die meisten Fotostative ist die Montierung nebst Teleskop und den entsprechenden Hebelarmen einfach zu viel. Es sollte sich also um ein stabiles Stativ das nicht nur den Titel "profi" trägt, sondern um eines mit entsprechender Tragkraft handeln. Das wird dann auch nicht wirklich leichter oder zierlicher ausfallen, als übliche Teleskop-Stative. Mit diesem Erkenntnisgewinn nun also zurück zu den vollmundigen Versprechungen: ♦ Sehr gute Abbildung, gut für Planetenbeobachtung Welches Teleskop wird denn nicht als sehr gut angepriesen? Daran kann man nichts aussetzen. Aber zur Planetenbeobachtung haben wir ja nachvollziehbar Forderungen aufgestellt: ♦ 170fache Vergrößerung angenehm, 228x möglich Wie dargestellt gibt es nicht einfach erhebliche Zweifel, sondern schlicht die Gewissheit, dass die Optik dies weder out of the box, noch nach erheblichen Tuning leisten kann. Die oben geforderte Mindestvergrößerung von 120-fach ist nur mit Nachbesserung und erheblicher Mühe erreichbar. Es ist zu erwarten, dass nur die wenigsten Einsteiger dies überhaupt erreichen können. ♦ Ausgedehnte Objekte beobachtbar Das ist out of the box durchaus machbar. 2,5°, also fünf Vollmonddurchmesser, sind bei 20-facher Vergrößerung als wahrer Himmelsausschnitt mit dem 25mm Okular zu erwarten. Das ist noch nicht das maximal machbare mit diesem Gerät, so dass durch Zukauf eines Weitwinkelokulars um 25mm noch mehr zu erwarten ist. Allerdings stellt f/4 an ein solches Okular erhebliche Anforderungen, so dass eine gute Randabbildung ein entsprechend teures Okular erfordert. Damit sind dann etwa 3° Bilddurchmesser an wahrem Himmel denkbar. ♦ Montierung kann DSLR-Kamera ausrichten und auslösen Nach der vorherigen Diskussion stellt man fest, dass dies schon beinah spitzfindig formuliert ist. Die Montierung kann, das Teleskop abgenommen und in die Ecke gestellt, mit dem L-Halter auch eine Kamera ausrichten und auslösen. Zum Beispiel für die 360° Panorama-Fotos aus dem Beschreibungstext. Für Fotos durch das Teleskop sieht die Sache etwas anders aus. Die viel gefragte Foto-Option, die man immer wieder vom Anfänger als Wunsch hört, ist in der Werbung wohl willkommen, keine Händlerbeschreibung lässt sie aus. Aber die Realität kommt dann dem suggerierte Eindruck einfach nicht nahe. Hier geht die Werbung deutlich über das tolerierbare Maß schöner Versprechungen hinaus. Auch mit der beschriebenen Nachbesserung des Tubus ist er nicht stabil genug, um eine normale DSLR für Fotos zu tragen. “Newton Since 1668” - Ob Sir Isaac sich das so vorgestellt hat?
Das Fazit kann nur die Enttäuschung des erfahrenen Sternfreund gegenüber diesem Produkt widerspiegeln. "Newton since 1668" steht auf dem Tubus und es ist wirklich trübselig zu betrachten, was einfach 25 Jahre Massenmarkt nach fast 350 Jahren Newton-Entwicklung aus diesem an sich soliden Teleskop-Konzept gemacht haben! Kein Händler verkauft dieses Gerät mit einer auch nur halbwegs adäquaten Beschreibung(*), ja der hier herausgepickte Händler ist noch wegen der Relativierung der Maximalvergrößerung zu loben, während alle anderen völlig undifferenziert dem Einsteiger den weit höheren Theorie-Wert unterschieben. Besonders besorgniserregend ist die Preisklasse des Geräts. In der Preisklasse um 350 Euro sind optisch erheblich bessere Geräte verfügbar. Hier wird das Geld jedoch in eine motorisierte Tischmontierung gesteckt, die auf einem gewöhnlichen Tisch kaum stabil einsetzbar ist, wodurch sich deren Preis auch nicht lohnt. Der Zustand der Optik ist nun wirklich geschicktes Qualitätsmanagement. Da der Einsteiger nicht weiß, was er von einem Gerät dieser Klasse erwarten müsste, konnte man das einfach so machen. Das Newton-Design ist einfach derart robust, dass man auch mit einer völlig unjustierbaren Vollgurke noch etwas beobachten kann und mehr sieht, als mit einem Feldstecher. Damit wird das Gerät auch durchaus den bisher geltenden Forderungen aus Beobachterkreisen und Internet-Foren gerecht: Vom 114/500 oder 114/450 Newton forderten erfahrene Sternfreunde zurecht, dass es eine Optik mit Parabolspiegel sein müsse, während Kugelspiegel mit dieser Auslegung dringend zu meiden seien. Dass es ein Hersteller wagen würde, einen solchen Parabolspiegel unjustierbar in eine Plastikzelle einzupassen, hat bislang niemand für möglich gehalten. Die Tatsachen überholen hier aber die Phantasie des Autors. Darauf soll an dieser Stelle für alle diejenigen hingewiesen werden, die sich vor dem Kauf informieren, oder deren Rückgabefrist nach dem Kauf noch nicht abgelaufen ist. Man muss es wohl so krass formulieren: Die Abstimmung, ob dies die Zukunft des kleinen Parabol-Newtons ist, läuft bereits. Es sind schon einige verkauft worden. *) Sichtung / Stand: 10/2015
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