Far Out - meine Astronomie-Homepage

Hinweise zum Datenschutz

Explore Scientific 8,8mm 82° Series

Das Explore Scientific 8,8mm 82°
82°-Okulare waren mal die Königsklasse - inzwischen sind es mehr die Arbeitstiere

Es geht nichts über gute Kontakte und Sternfreunde mit einem Sinn für die Community. Auf diesem Wege erreichte mich nach dem 2017 getesteten 6,7mm nun auch das das 8,8mm der Explore Scientific 82° Series. Die Explore Scientific Okulare haben nicht ganz zufällig die gleichen Brennweiten, wie die Meade UWA Okularreihen, sondern das entspringt vielmehr einer langjährigen Geschäftsverbindung. Explore Scientific entstand, als die stets mit Bresser verbandelte Europa-Vertretung von Meade aus dem Mutterkonzern herausgelöst wurde. Die Geschäftskontakte zum chinesischen Hersteller blieben bestehen. Dort hatte man als Meade Serie 5000 die zuvor in Japan produzierten Okulare der Serie 4000 durch neue Optikdesigns ersetzt, wobei die seinerzeit gewählten Brennweiten und mit Ausnahme der auf 60° erweiterten Plössl auch die scheinbaren Gesichtsfelddurchmesser erhalten blieben. Und so folgt die 82° Serie von Explore Scientific dieser Brennweitenstaffel - was auch beim 8,8mm den interessanten Vergleich mit dem betagten Ur-Großvater aus der Serie 4000 erlaubt.
Diesem gegenüber ist das neue Okular deutlich kleiner und leichter. Der moderne Nachfolger ist verkappt und mit umgeklappter Augenmuschel 88mm lang bei 49mm größtem Durchmesser auf Höhe der Gummi-Armierung.  Das alte 8,8mm UWA Serie 4000 ist mit 95mm Länge und 57mm etwas größer, aber mit 409g deutlich schwerer, denn der junge Nachfolger wiegt nur 256g.

Größenvergleich zwischen Explore Scientific 8,8mm und dem Meade UWA Serie 4000 8,8mm
Da liegen an die 30 Jahre dazwischen: Die Brennweitenstaffel nahm damals ihren Ursprung.

Wie bei modernen Okularen üblich, ist eine moderne Mehrschichtvergütung auf allen Glas-Luftflächen heute unverzichtbar. Wie bei praktisch allen Explore Scientific Okularen nennt sich das EMD-Coating. Damit die Füllung mit Argon-Edelgas gegen Feuchtigkeit und Pilzbefall lange erhalten bleibt, ist das Okular wasserdicht ausgelegt. Damit kann das betagte UWA nicht aufwarten. Auch eine Seriennummer war zu Beginn der Produktion vor mehr als 30 Jahren völlig unüblich - bei Explore Scientific ist das heute Standard. Was Meade allerdings seinerzeit besser Verstand, war eine praxistaugliche Verpackung. Die UWA-Okulare wurden in original Rose Plastik Drehpacks ausgeliefert. Explore Scientific liefert eine hübsch mit Sternkarten-Ausschnitten bedruckte Pappschachtel samt passender Blasenkunststoff-Einlage - die kaum jemand zum Beobachtungsort mitnehmen möchte, weil sie nach dem Versand lieber ein paar Kubikdezimeter Schrank blockiert, als den knappen Platz im Okularkoffer.

ES 6,7mm 82° in Verpackung
Kann ja mal vorkommen: Ein Foto des ES 8,8mm in seiner Verpackung fehlt mir,
die Verpackung des 6,7mm ist aber gleichartig.

Gegenüber der zwar dauerhaften, aber doch kleinen Beschriftung des alten 8,8mm ist das neue Okular vorbildlich groß mit Laser graviert. Die Brennweitenangabe ist deutlich hervorgehoben und im Dunkeln gut zu erkennen. Das Gehäuse ist schwarz eloxiert mit einem etwas seidigen Glanz. Beide Kappen sitzen sicher aber auch nicht zu stramm. Die Kappe auf der 1,25“ Zoll Steckhülse ist aus einem weichen, gummiartigem Material, die augenseitige Kappe ist aus festem Kunststoff und sitzt gut auf der umklappbaren Augenmuschel aus Silikongummi. Während das alte UWA noch mit einer kombinierten Steckhülse für 2“ und 1,25“ geliefert wurde, ist das Explore Scientific ein reines 1,25“ Okular. Anstelle einer beim UWA gar nicht vorhandenen Sicherungsnut, hat das moderne Okular eine zur Auflagekante hin konisch zulaufende Steckhülse und kann sich somit in Klemmringen nicht verhaken.
Blickt man in die Steckhülse, findet man ein blankes Filtergewinde und darunter einen Breiten Ring, der als Linsenfassung dient und einerseits ähnlich einer Streulichtblende abgeschrägt, aber andererseits nur seidenmatt schwarz eloxiert und keineswegs mit Mattlack wirklich geschwärzt ist. Die teleskopseitige Linse hat etwa 15mm Durchmesser. Dahinter schaut man in ein erfreulich dunkles Okular-inneres, in dem nur zwei geschwärzte Linsenkanten etwas heller erscheinen, als der Rest. Augenseitig ins innere geblickt, erblickt man im Gegenlicht etwas mehr Helligkeit im Innern, aber insgesamt scheint das Okular gut gegen Streulicht versorgt. Rund um die 18mm große Augenlinse findet sich ein ähnlicher, seidenmatt eloxierter Fassungsring. Explore Scientific gibt den Augenabstand in der erfreulich umfangreichen Datentabelle mit 15,6mm an und nennt einen Aufbau aus 7 Linsen in 4 Gruppen mit einem effektiven Feldblendendurchmesser von 12,4mm, was eine deutlich andere Konstruktion verrät, als sie das UWA Serie 4000 mit 8 Linsen in 5 Gruppen hatte.

Gute Streulichtabschirmung im Innern beider Okulare.
Beim blick in die Steckhülse ist es bei beiden angenehm dunkel...

Bei zwei Okularen mit exakt gleicher Brennweite ist natürlich der Direktvergleich besonders interessant. Und so traten wie schon zuvor bei 6,7mm Brennweite auch in diesem Fall die beiden 8,8mm gegeneinander an. Als erstes Testobjekt diente M13, der sich im 12,5 Zoll Newton bei f/4,5 bei somit 162-facher Vergrößerung schon gut auflösen lässt. In der Bildmitte zeigen beide Okulare eine sehr gute Abbildung und M13 ist angenehm brillant. Zum Rand hin werden die Sterne im Explore Scientific 8,8mm flächig als leicht zur Mitte hin elongierte, ovale Fleckchen. Davon ist nur ein recht kleiner Bereich am Bildrand ist betroffen. Das gut wiedergegebene Feld ist sehr groß. Insgesamt bleibt das Nachlassen selbst direkt am Bildrand im Rahmen des Erträglichen. Die Sternabbildungen waren kaum nachfokussierbar. Demgegenüber sahen die Sterne im alten UWA deutlich besser aus, allerdings auch hier nicht perfekt und ebenso wenig nachfokussierbar. Ohne Brille bieten beide Okulare einen gleich angenehmen Einblick. Bei genauem Hinsehen fällt beim Explore Scientific eine vielleicht 10° breite Zone am Bildrand auf, die leicht aufgehellt ist. Der Direktvergleich zeigte den Effekt auch, wenn auch schwächer, im UWA, und der Verdacht lag nahe, dass die nicht perfekte Störlichtabschirmung des offenen Gittertubus die eigentliche Ursache war. Da die Optik mit 8,8mm Brennweite kaum gefordert wird, sind die Sternabbildungen fein und hell, so dass es schwer war, eine Aussage zur Transmission zu machen. Da aus mehreren Messungen bekannt ist, dass die betagten UWA-Okulare diesbezüglich nicht mehr dem heutigen Stand der Technik entsprechen, konnte man sich als Beobachter nicht davon freisprechen, etwas derartiges zu bemerken. Nach mehreren Vergleichen musste man sich aber eingestehen, dass M13 bei dieser Vergrößerung kein geeignetes Objekt war, um dazu eine sichere Aussage zu treffen. Dass die alten UWA-Okulare eine Transmissionsschwäche bei blauem Licht haben, ist aber nicht von der Hand zu weisen.

Explore Scientific beschriftet Okulare vorbildlich.
Vorbildliche Beschriftung: Die Brennweite ist gut lesbar und jedes Okular hat eine Seriennummer
(im Bild nicht sichtbar).

An einem weiteren Abend diente dieselbe Optik zu einem weiteren Vergleich der Okulare, diesmal allerdings bei der Mondbeobachtung. Die Optik hat bei dieser Vergrößerung viel Kontrastreserve und dementsprechend feine Mondstrukturen werden wiedergegeben. Das forderte die Randabbildung der beiden Okulare nochmals stärker und der bereits geschilderte Unterschied fiel deutlicher zu Ungunsten des Explore Scientific aus. Eigentlich war dieser Test hauptsächlich gedacht, um Streulichtprobleme aufzudecken - dahingehend waren beide Okulare aber unauffällig. Auch hier war es schwer, etwas zur Transmission zu sagen. Das Bild im UWA wirkte aber etwas wärmer im Farbton, wenn man sich an die Helligkeit gewöhnt hatte.
Ohne den direkten Gegner aus grauer Vorzeit kam das Explore Scientific 8,8mm später an einem 150/750 Newton zum Einsatz. Es profitierte dabei deutlich vom etwas entspannteren Öffnungsverhältnis und zeigte schöne Anblicke der offenen Sternhaufen im Fuhrmann. Die hellen Sterne des Doppelhaufens H & χ waren nochmals eine besondere Herausforderung, da der Doppelhaufen das ganze Bildfeld mit hellen Sternen füllt. Das Nachlassen der Randabbildung ist mit diesem Teleskop nur noch subtil wahrnehmbar, wobei an diesem Abend auch der Jetstream für insgesamt etwas vergrößerte Sternpünktchen sorgte - ohne dass dies den schönen Anblick der offenen Sternhaufen schmälern konnte.

Dem Explore Scientific 8,8mm 82° fehlt schwarzer Mattlack.
Die teleskopseitige Linsenfassung glänzt seidig.

Bei den verschiedenen Beobachtungen überzeugte das Explore Scientific 8,8mm 82° vor allem als leichtes und kompaktes 82° Okular mit einem ohne Brille angenehmen Einblickverhalten. Mit Brille ist das Feld nur mühsam und mit Aufdrücken zu überblicken. Seine gegenüber dem alten UWA bemerkbaren Einbußen bei der Randabbildung macht es durch moderne Vergütung vor allem bei diesbezüglich schwierigen Objekten wett und wenn man f/5 oder noch entspanntere Öffnungsverhältnisse einsetzt, ist das Nachlassen der Randabbildung vernachlässigbar gering. An einer kritischen f/4-Optik hingegen muss man abwägen, ob man aufgrund der dann spürbar nachlassenden Randabbildung eine Alternative sucht. Wenn eine gute Transmission, beispielsweise zur Galaxienbeobachtung, gefordert ist, kann das alte UWA kaum dazu dienen. Die aktuellen 100° Okulare kommen jedoch diesbezüglich in Frage, sind aber erheblich größer und viel schwerer. Von den Eckdaten her vergleichbar wäre auch das 9mm Nagler Typ 6, was aber wiederum erheblich teurer ist. Somit ist das Explore Scientific in seiner Preisklasse, aktuell 149,-€* unter diesen Gesichtspunkten eine durchaus gute Wahl.

*) Preisniveau 10/2018

Zurück zur Testübersicht